Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
nicht gedacht, dass es mir genauso ergehen könnte.
Shopping machte plötzlich Spaß – selbst mir! Früher war Klamotten kaufen für mich eine Tortur. Die Einkaufspassage wurde jedes Mal zum Büßergang. Mein niederschmetterndstes Shopping-Erlebnis hatte ich während eines Urlaubs in Amerika, bei Abercrombie & Fitch: Das Konzept dieser Kette hätte mir eigentlich schon zu denken geben sollen: Überdimensionierte Parfümzerstäuber sorgten schon beim Betreten dafür, dass man völlig benebelt ist. Die irren Farben, die man plötzlich sah, waren allerdings nicht auf den Genuss von Betäubungsmitteln zurückzuführen – die Klamotten sind tatsächlich so bunt.
Wobei, mit dem »Sehen« war es sowieso so eine Sache, denn in diesem Laden war es quasi stockdunkel. Dafür war die Musik so laut wie auf einem Heavy-Metal-Konzert in der ersten Reihe. Wenn hin und wieder ein Lichtstrahl durch die Eingangstür fiel, konnte man erkennen, dass ausnahmslos extrem attraktive, durchtrainierte Menschen in diesen Läden arbeiten – wahrscheinlich alle taub und blind. Insbesondere die Verkäuferinnen sahen so irreal sexy und gut aus, als würden sie mit Nachnamen alle ».jpg« heißen. In Bruchteilen von Sekunden erkannte ich, dass ich hier auch nicht ein Teil finden würde, das mir auch nur annähernd passt, und verließ gut riechend, aber schlecht gelaunt den Laden.
Okay, angesagte, hippe Modelabels für erfolgreiche, sportliche junge Menschen waren nichts für mich, das hatte ich kapiert. Aber auch traditionelle, klassische Geschäfte bereiteten Probleme.
Wenn ich früher zu einem normalen Herrenausstatter ging, fröhlich auf einen der Anzüge im Schaufenster zeigte und hernach auf mich, dann musste der Verkäufer oft ein Grinsen unterdrücken. Manchmal hörte ich noch ein verzweifeltes: »Wir haben den bis in Größe 56 , und der fällt ziemlich groß aus. Sie können es ja mal probieren.« In diesem Fall verschwand ich mit dem Designerstöffchen in der Umkleidekabine und stellte fest, dass nur zehn Zentimeter Stoff fehlten, und schon hätte ich die Hose zubekommen. Ich hängte das Ding wieder über den Bügel und erklärte dem Verkäufer, dass mir die Farbe nicht gefiele.
In den letzten Jahren hatte ich Hosen und Jacken immer im Übergrößenhaus gekauft. Im Volksmund trug dieses Geschäft den Werbeslogan »Mode für Vater, Sohn und Campingbedarf«. Die Auswahl war eher bescheiden. Häufig passte nur ein einziger Anzug, meist in eher gedeckten Farben, wie mausgrau oder hornhaut-umbra. Entscheidungsprobleme hatte ich früher beim Einkaufen wirklich nicht.
Fünfundzwanzig Kilo später enterte ich leichten Schrittes die für meine Verhältnisse gewagtesten Designerschuppen. In der BOSS -Boutique am Berliner Flughafen probierte ich drei Anzüge an, jeder in einer anderen gerade total angesagten Trendfarbe. Alle passten. Ich nahm alle drei und konnte plötzlich verstehen, dass sich Frauen in einen Rausch shoppen können.
Meistens hielt ich mich zurück, aber es gibt auch eine besondere Trophäe in meinem Kleiderschrank. Ich kaufte mir ein schwarzes Ed-Hardy-T-Shirt! Sie wissen vermutlich, Donald Ed Hardy ist dieser ehemalige Tätowierer, dessen Markenzeichen bunte Tattoo-Motive sind. Um zu vermeiden, dass der gewöhnliche C & A-Kunde das, was vorne auf den T-Shirts prangt, für erbrochene Tapas hält, sind zusätzlich Nieten und Strasssteine angebracht, sodass man als Träger blinkt wie eine Bordelltür. In meinem früheren Leben hätten sich diese schon bei dem Versuch, das Shirt überzustreifen in lebensgefährliche Geschosse verwandelt. Jetzt passte es. Und ich kaufte es, nur, weil es passte. Ich habe es nie getragen.
Und sollte ich mal wieder in die USA kommen, dann falle ich – mit Ohropax und Nasenklammer ausgestattet – bei Abercrombie & Fitch ein, hauche den .jpg-Frauen ein dünnes »How are you doing« ins Ohr und kaufe die buntesten Teile, die ich ertasten kann. Auch die werde ich vermutlich nie anziehen – es sei denn, ich muss mal irgendwann »Wetten, dass …« moderieren.
Anne hatte die gleichen Probleme. Aber meine Frau denkt bekanntlich wirtschaftlich sehr rational, deshalb hatte sie die Idee mit den Outlet-Stores. Die gibt es aus Stein und Beton in Maasmechelen und Metzingen, in Wertheim und Roermond, aber es gibt sie auch im Internet. Einkaufen in Outlet-Stores ist Annes neue Lieblingsbeschäftigung. Ich nenne es »spaven«. Das ist eine neue Wortschöpfung, die setzt sich zusammen aus den englischen
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