Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
sie. O verdammt, was habe ich nur getan? Habe ich mir etwas gebrochen? Sie versuchte, ihre Füße zu bewegen, und war erleichtert, als sie ebenfalls schmerzten. Besser das als die gefürchtete Taubheit. Das Gesicht eines Polizisten, absurd jung und frisch, erschien vor ihrem Gesichtsfeld und ersetzte das von Dan.
»Ganz ruhig, Miss. Der Krankenwagen muss jeden Augenblick da sein.«
»Es war ein altes Fahrrad«, flüsterte Ursula.
»Ich hätte schon längst nicht mehr damit herumfahren dürfen. Ich wusste, dass es nicht mehr verkehrssicher war.« Die zweistimmige Sirene des Krankenwagens näherte sich. Menschen wichen zur Seite. Ursula spürte, wie sie hochgehoben wurde. Während sie auf eine Bahre gelegt und in das Heck des Krankenwagens geschoben wurde, hörte sie schwach die Stimme des Beamten, der leise in sein Funkgerät sprach.
»Ja, Sarge. Ich habe mir das Fahrrad flüchtig angesehen. Die Bremskabel wurden absichtlich durchgeschnitten, kein Zweifel. Die Frau hatte Glück! Mittagsverkehr und alles! Sie hätte getötet werden können!« Toby war an jenem Abend vor Meredith zu Hause. Sie war noch in einem Supermarkt einkaufen gewesen und kämpfte sich mit zwei prallen Plastiktüten voller Lebensmittel durch die Wohnungstür. Toby stand in der Diele und erwartete sie bereits. Mit ungewohnter Bereitwilligkeit nahm er ihr die Tüten ab.
»Eine dümmliche Bemerkung«, warnte sie ihn ächzend,
»und ich ermorde dich gleich hier an Ort und Stelle, in dieser Wohnung, das schwöre ich!« Er lächelte unsicher.
»Dein Polizistenfreund hat angerufen.« Endlich! Ihr Herz machte einen Sprung, doch dann stieg Groll in ihr auf. Das wurde langsam auch Zeit!
»Wann?«
»Vor zehn Minuten oder so. Er bittet dringend um deinen Rückruf.« Meredith dämmerte allmählich, dass Toby ungewöhnlich ernst wirkte und sein Benehmen fast ein wenig offiziell. Er betrachtete sie wie den berühmten Britischen Untertanen in Not.
»In Ordnung«, sagte sie streng.
»Was ist passiert?«
»Deine Freundin Ursula, die Archäologin. Sie hatte einen Unfall mit dem Fahrrad. Nun ja, genau genommen war es kein richtiger Unfall …«
»Was meinst du damit? War es ein Unfall oder nicht?«
»Die Polizei scheint zu glauben, dass es sich um einen Mordversuch handelt.«
KAPITEL 24
»Ich schätze«, sagte Ursula mit scheuem Lächeln,
»ich schätze, man könnte sagen, dass ich noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen bin.« Sie sonnte sich in einem Deckstuhl im Garten des elterlichen Hauses, und ihre Füße ruhten auf einem Kissen, das auf einem großen umgedrehten Blumenkübel lag.
»Und wie fühlst du dich jetzt?«, fragte Meredith.
»Alles tut mir weh. Aber es sind nur blaue Flecken und Prellungen, jedenfalls haben die Ärzte das gesagt. Sie waren besorgt wegen des Schlages, den ich an den Kopf bekommen habe, aber abgesehen von heftigen Kopfschmerzen ist soweit alles in Ordnung. Ich muss nur ausruhen, und das ist besonders ärgerlich, weil ich Hunderte von Dingen zu erledigen habe. Das Fahrrad ist ein Totalschaden, und vielleicht ist das auch gut so. Ich gebe das Radfahren auf; ich werde mir ein Auto kaufen. Tut mir leid, wenn die Ozonschicht immer dünner wird und unsere Lungen wegen der Luftverschmutzung zusammenschrumpfen und alles, aber ich habe meinen Teil zur Rettung der Umwelt getan. Ich bin jahrelang auf diesem elenden Fahrrad rumgefahren, und wohin hat es mich gebracht?«
»Mit ein wenig Nachhilfe durch jemanden, der nicht zu deinen Freunden zählt«, widersprach Meredith. Ursula seufzte. Sie saßen im gesprenkelten Schatten eines alten Apfelbaums. Eine Kinderschaukel baumelte an einem der alten, aber immer noch stabilen Äste. Jemand hatte die beiden Befestigungsseile der Schaukel mehrmals um den Ast geschlungen, damit sie nicht im Weg hing. Die hölzerne Sitzfläche baumelte über Merediths Kopf, und sie schielte immer wieder mit einem Auge nach oben. Bienen summten fröhlich in einem nahe gelegenen Blumenbeet, und eine kleine weiße Katze hatte sich zum Sonnenbaden einen warmen Fleck im Steingarten gesucht, wo sie vor sich hindöste. Sie rührte sich nicht einmal, als eine Amsel nur wenige Fuß von den Barthaaren ihres Todfeindes entfernt über die Wiese hüpfte, als wüsste sie ganz genau, dass die Katze zu träge war, um sich etwas da raus zu machen.
»Die hiesige Polizei meint, es könnte Zufall sein. In letzter Zeit gab es verstärkt Vandalismus in der Gegend. Einbrüche und Kinder, die Autos gestohlen haben, um
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