Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
eine Stunde später dort eintraf. Die Stadt döste im nachmittäglichen Sonnenschein vor sich hin. Das Museum hatte gerade Besucher gehabt; eine lärmende Ansammlung Zehnjähriger, die von ihren Lehrern weggeführt wurden, als Meredith ankam. Ian Jackson stand im Eingang und blickte ihnen gequält hinterher. Seine Miene hellte sich auf, als er Meredith näher kommen sah.
»Diese kleinen Ungeheuer! Aber wenigstens waren sie interessiert. Schön, Sie wiederzusehen. Wir haben Ihre Brosche vorübergehend in der Auslage, bis ich eine richtige Vitrine dafür besorgt habe. Man sollte meinen, diese Spinner bei der Stiftung hätten sich dadurch überzeugen lassen, oder? Aber nichts dergleichen! Sie quasselten bloß irgendwelchen Mist, dass Finny sie überall gefunden haben könnte. Als hätte er sie von irgendwo anders als dort oben, wo wir gegraben haben!«, schnaubte er.
»Das hat Ursula auch gesagt«, entgegnete Meredith.
»Tut mir leid, dass Sie kein Glück hatten. Ist Karen zufällig in der Nähe?«
Er blickte sie geistesabwesend an.
»Oh, irgendwo im Haus. Wahrscheinlich im Lagerraum. Sie stellt die Replikate weg, die wir während meines Vortrags vor den Kindern als visuelle Hilfe eingesetzt haben.«
»Karen?« Meredith schob ihren Kopf durch die Tür zum Lagerraum.
Karen Henson stand unsicher auf einer Kiste und versuchte, eine andere Kiste auf ein hohes Regal zu schieben. Sie blickte mit vor Anstrengung rotem Gesicht nach unten und ächzte:
»Oh, Sie sind’s, Meredith. Eine Sekunde bitte.«
Sie wuchtete die Kiste in ihren Armen auf das Regal und stieg herab und klopfte sich die Handflächen ab.
»Wir hatten gerade eine Gruppe von Kindern hier.«
»Ja, ich habe sie weggehen sehen. Sie sahen ganz danach aus, als hätte ihnen der Besuch des Museums Freude bereitet.«
»Ich denke, das hat er. Ian hat mit ihnen gesprochen. Er ist sehr gut im Umgang mit Kindern. Wir zeigen ihnen Ausstellungsstücke und Bilder. Und diese Dinge hier natürlich.« Karen streckte die Hand aus und nahm eine kleine, aber effizient aussehende Axt aus einer Kiste.
»Das hier ist eine unserer visuellen Hilfen für die Bronzezeit. Natürlich ist es keine richtige Bronzezeit-Axt, aber sie sieht so aus, fühlt sich so an und besitzt ungefähr das gleiche Gewicht. Die Kinder können sie anfassen, und das beflügelt ihre Fantasie.« Sie legte die Axt zurück. Meredith schloss die Tür des Lagerraums.
»Ich würde mich gerne auf ein Wort mit Ihnen unterhalten, Karen, falls Sie Zeit haben. Hier können wir ungestört reden.« Karen warf ihr einen überraschten Blick zu.
»Also schön. Worüber?« Meredith vermied eine direkte Antwort.
»Ich komme gerade aus Oxford. Ich habe Ursula besucht. Sie wird langsam wieder gesund.« Das Gesicht der jungen Frau lief noch dunkler an, und ihre Mundwinkel sanken verdrießlich herab.
»Ja? Gut.«
»Sie klingen nicht gerade schrecklich erfreut.«
»Natürlich freue ich mich!«, kam die hölzerne Antwort.
»Als ich ging, kam Dan gerade an, um sie zu besuchen. Ich glaube, er ist jeden Tag bei ihr.« Das war ein Tiefschlag. Meredith fühlte sich niederträchtig, doch ihre Bemerkung zeigte die beabsichtigte Wirkung.
»Sehen Sie«, platzte Karen heraus.
»Ich bin froh, dass sie nicht schlimmer verletzt wurde! Aber sie ist nicht meine Freundin, sondern Ihre. Und soweit es mich betrifft, hat sie sich mies gegenüber Dan verhalten. Er liebt sie, und sie kümmert sich einen Dreck um ihn, nicht ein Stück!« Ihre Stimme brach, und ihre blassen Augen füllten sich mit unvergossenen Tränen.
»Oh, Karen.« Meredith verspürte echtes Mitleid.
»Warum um alles in der Welt mussten Sie das tun? Die Bremsseile durchschneiden, meine ich.« Karen sank auf die Kiste, auf der sie wenige Augenblicke zuvor gestanden hatte.
»Das war nicht geplant! Aber als Renee und ich mit Ian auf dem Vorplatz vor der Stiftung ankamen, haben wir gesehen, wie Dan ihre Hand geküsst hat. Ich habe sie in diesem Augenblick so sehr gehasst, dass ich ihr genauso wehtun wollte, wie sie ihm immer wieder wehtut! Nach allem, was er durchmachen musste, lässt sie ihn immer noch mehr leiden! Und während ich das dachte, dort auf dem Vorplatz, habe ich gesehen, dass sich mir eine Gelegenheit bietet, sie zu bestrafen. Sie waren alle schon reingegangen und standen in dieser Halle, um sich die Brosche anzusehen, die Sie Ian gegeben haben. Ich stand allein neben Ursulas klapprigem Fahrrad. Ich dachte, niemand wäre überrascht oder würde Verdacht
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