Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
wie Sie haben.«
»Oh, ich liebe ein gutes Buch!« Sie legte ihre fleischigen Unterarme auf die Theke.
»Ich mach mir überhaupt nichts aus Fernsehen. Gib mir ein wirklich gutes Buch, und ich bin glücklich.«
»Haben Sie schon mal etwas von einer Lady namens Natalie Woollard gelesen?«
»O ja! Ich mag ihre Bücher! In ihrem letzten ging es um diese Fotografin von einem Top-Magazin, die irgendwo in die Berge gegangen ist, um Bilder zu machen, und dann wurde sie von Eingeborenen gefangen und dieser Häuptling, er hat nur einen Blick auf sie geworfen, und dann …«
»Schon gut, schon gut«, sagte Markby hastig. Er hatte verstanden, was für eine Art von Büchern Mrs. Woollard schrieb.
»Ein gutes Buch?«
»Ein phantastisches Buch! Sie ist eine großartige Schriftstellerin! Stellen Sie sich vor, sie überlässt nichts der Einbildung, wenn Sie wissen, was ich meine. Sie beschreibt jede verflixte Bewegung, und dieser Häuptling in den Bergen, der kennt eine ganze Reihe davon, das kann ich Ihnen sagen! Ich lese Len hin und wieder eine Passage vor, und er meint, er hätte noch nie von jemandem gehört, der so etwas gemacht hat. Er schätzt, dass die Liebestechniken physisch völlig unmöglich sind, und er hat keine Lust, sie auszuprobieren, weil er sich dabei bestimmt verrenkt.« Sie seufzte bedauernd.
»Ich verstehe«, sagte Markby. Zwei weitere Gäste betraten das Lokal.
»Nun, wie es scheint, muss ich mir dieses Buch unbedingt kaufen.«
»Ich kann Ihnen welche von mir ausleihen!«, bot sie an, während sie wegging, um die neuen Kunden zu bedienen.
»Ich hab all ihre Bücher!«
»Danke sehr.« Er hoffte inbrünstig, dass sie ihr freundliches Angebot wieder vergaß. Auf dem Rückweg zur Wache sann er erneut über das nach, was Meredith ihm erzählt hatte. Gut möglich, dass es ein wenig taktlos von ihm gewesen war, Ursulas Verdacht einfach so vom Tisch zu wischen. Meredith hatte ihre Geschichte ernst genommen, und er hätte sich wenigstens mit der gleichen Ernsthaftigkeit darum kümmern können. Sie hatte ihn
»aufgeblasen« genannt. Markby gefiel diese Bezeichnung nicht, und er hielt sie für unfair, doch er erkannte, dass Meredith enttäuscht gewesen war wegen seiner Reaktion. Er hatte sie wohl irgendwie im Stich gelassen. Er steckte die Hände in die Taschen, und seine Finger berührten einen Fetzen Papier. Er zog ihn hervor und sah, dass es die Bamforder Adresse von Natalies Mutter war, die Meredith ihm aufgeschrieben hatte. Ein weiterer Hieb für sein Gewissen. Vielleicht war die Sache tatsächlich einen kurzen Besuch bei Mrs. Salter wert. Wenn schon nichts anderes, dann konnte er Meredith wenigstens – ehrlich! – sagen, dass er etwas unternommen hatte. Vielleicht hob das ihre Meinung von ihm wieder ein wenig. Als er wieder zurück im Büro war, rief er Sergeant Pearce zu sich.
»Gehen Sie doch mal in der Old Mill Street vorbei, wenn Sie heute Nachmittag einen Augenblick Zeit finden. Besuchen Sie dort eine Mrs. Amy Salter.« Markby erklärte kurz, worum es ging.
»Finden Sie einfach nur heraus, wann sie ihre Tochter zum letzten Mal gesehen hat, ohne sie zu erschrecken. Erfinden Sie irgendeinen Grund.«
»Meine Freundin liest die Bücher von Natalie Woollard«, sagte Pearce unerwartet.
»Ausgezeichnet, dann haben Sie ja eine phantastische Ausrede für Ihren Besuch. Kaufen Sie ein Exemplar auf Staatskosten und nehmen Sie es mit. Fragen Sie Mrs. Salter, ob sie ihre Tochter bitten kann, es zu signieren. Ihre Freundin ist Natalies größter Fan und so weiter, und sie wollen ihr mit einem signierten Exemplar eine Überraschung zum Geburtstag bereiten. Ich fahre unterdessen hinaus nach Bamford Hill und rede mit diesen New-Age-Leuten. Zwei von ihnen sind als Straßenmusikanten in der Stadt. Wir müssen sie irgendwie dazu bringen, dass sie weiterziehen.«
In jahrelanger Berufserfahrung hatte Markby ein feines Gespür dafür entwickelt, die Mimik und Gestik der Menschen zu deuten, die ihn begrüßten – gleichgültig, wohin er kam. Als er nun bei der Grabungsstelle aus dem Auto stieg, überlegte er ironisch, dass es lange her war, seit ihn eine Gruppe von Menschen empfangen hatte, deren gemischte Emotionen er ihnen so deutlich von den Gesichtern ablesen konnte. Sie versammelten sich um ihn.
Merediths Gesicht hellte sich auf. Das war angenehm. Die junge Frau neben ihr, eine überraschend attraktive junge Frau, wirkte überrascht und ebenfalls erfreut. Ob das Dr. Gretton war? Markby war ihr nie begegnet
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