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Wer bin ich ohne dich

Wer bin ich ohne dich

Titel: Wer bin ich ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Nuber
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Gewünschte Gespräche finden nicht statt oder wenn, dann nur in einer Weise, die für Frauen oft unbefriedigend ist. Lösungen werden angeboten, aber das, was eine Frau bewegt, wird nicht verstanden, ja, das Verstehen scheint in den Beziehungen depressiver Frauen oftmals eine Einbahnstraße zu sein.
    Diese Situation ist fatal, denn wie psychologische Studien belegen, sind stabile, positive Beziehungen gerade für das weibliche Geschlecht eine wirkungsvolle Abwehr gegen depressive Erkrankungen. Frauen, die wenigstens einen Menschen haben, an den sie sich mit ihren Sorgen und Gedanken wenden und mit dem sie offen sprechen können, haben ein deutlich geringeres Depressionsrisiko als ihre Geschlechtsgenossinnen, die sich einsam und isoliert fühlen. Die Vertrauensperson kann der Partner oder eine Freundin sein, wichtig ist vor allem, dass sie in stressigen Zeiten Unterstützung gewährt. Bei Frauen, die einen verlässlichen Kontakt zu einem anderen Menschen haben, liegt die Wahrscheinlichkeit, angesichts belastender Ereignisse depressiv zu werden, um zwei Drittel niedriger als bei Frauen ohne eine solche Beziehung. Fehlen verlässliche soziale Anker, kann das auf Dauer zu einem chronischen Erschöpfungszustand führen.
    Psychologische Studien belegen, dass der depressiven Erkrankung einer Frau in fast allen Fällen Krisen vorausgehen, die in irgendeiner Weise mit dem Erleben von Bindungslosigkeit oder dem Scheitern von Beziehungen zu tun haben. Dazu gehören Konflikte in Liebesbeziehungen, Eheprobleme, Untreue des Partners, Trennungen und die damit verbundenen Gefühle von Vereinsamung, Isolierung und Entwurzelung. Gefühle, die auch dann entstehen, wenn eine Frau auf Zuwendung und Verständnis hofft, | 112 | und immer wieder enttäuscht wird. Ein interessanter Befund der psychologischen Forschung ist in diesem Zusammenhang dieser: Kann sich eine Frau aus einer unglücklichen und unbefriedigenden Beziehung lösen, verschwinden häufig auch ihre depressiven Symptome.
    Die Bedeutung, die Beziehungen für das weibliche Geschlecht haben, ist für manche Experten Anlass, den Frauen »Bedürftigkeit«, »Abhängigkeit« und »zu hohe Ansprüche« zu unterstellen. Und sie ziehen daraus die Schlussfolgerung: Hätten sie nicht so hohe Erwartungen, dann wären sie auch zufriedener und glücklicher. Die amerikanische Psychologin Harriet Lerner – und nicht nur sie – widerspricht dieser Einschätzung vehement und stellt klar, dass nicht das starke Bedürfnis der Frauen nach guten Beziehungen für das erhöhte weibliche Depressionsrisiko verantwortlich ist, »denn emotionale Verbundenheit ist ein Basisbedürfnis des Menschen und eine Stärke«. Sie ist vielmehr der Ansicht: »Was Frauen in Beziehungen passiert, das ist von Interesse und verdient unsere Aufmerksamkeit.«
    Will man also wissen, warum Frauen depressiv werden, muss man sich ihre Beziehungen anschauen.
Zu hohe Erwartungen, zu hohe Ansprüche?
    »Rund 50 bis 70 Prozent der Frauen, welche an einer Depression erkranken, berichten von massiven Partnerschaftsproblemen im Vorfeld der Entstehung ihrer Depression. Dabei scheinen akute Spannungen und Konflikte mit dem Partner oder eine chronische niedrige Beziehungsqualität besonders relevant zu sein. 60 Prozent der Frauen betrachten ihre Beziehungsprobleme explizit als Grund für ihre Depression. Insgesamt scheint es in der Tat Hinweise darauf zu geben, dass häufig Partnerschaftsprobleme | 113 | bereits vor der Entstehung von Depressionen vorliegen. Schätzungen gehen davon aus, dass Partnerschaftsstörungen das Depressionsrisiko um 30 Prozent erhöhen.« Der Schweizer Psychologe Guy Bodenmann beschreibt hier einen Sachverhalt, der bei der Diskussion des Themas »Warum werden Frauen häufiger als Männer depressiv?« zwar erwähnt, aber selten vertiefend erörtert wird. Die enttäuschten Erwartungen der Frauen und ihre negativen Erfahrungen, die sie in ihren Beziehungen machen müssen, sind selten Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit. Meist kommt dieser Aspekt nur am Rande vor und dann oft in einer Weise, die den betroffenen Frauen direkt oder indirekt die Verantwortung zuweist: Wären sie nicht so anhänglich, so bedürftig, so unselbstständig oder so anspruchsvoll, hätten sie nicht so überzogene Erwartungen an den anderen, dann wären sie auch in ihren Beziehungen zu anderen Menschen – allen voran zu ihrem Lebenspartner – zufriedener.
    Was den Frauen zum Verhängnis wird, so die gängige Erklärung, sind ihre

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