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Wer bin ich ohne dich

Wer bin ich ohne dich

Titel: Wer bin ich ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Nuber
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überzogenen Wünsche in Bezug auf Zuwendung und Aufmerksamkeit. So hält beispielsweise der Philosoph Richard David Precht die Männer für das glücklichere Geschlecht. Das liegt seiner Meinung nach daran, »dass die meisten Frauen in Bezug auf das, was sie als Glück bezeichnen, anspruchsvoller sind als die meisten Männer.« Männer seien schon glücklich, wenn sie mit einem Bier vor dem Fernseher Fußball gucken. Auch der Spiegel stößt ins selbe Horn, wenn dort in einem Artikel festgestellt wird, dass »Frauen immer noch zu viel von Männern erwarten«. So wünschen sie sich angeblich »einen erfolgreichen Mann, der morgens den Tee ans Bett bringt, überraschend Blumen ins Büro schickt und abends nach einem Quickie in der Tiefgarage fragt, wie der Termin mit dem Chef gelaufen sei, um anschließend ohne Murren den Müll runter zu tragen.«
    Frauen, so der Tenor solcher Äußerungen, sind zu anspruchs | 114 | voll. Sie sollten lernen, ihre Ansprüche herunterzuschrauben, dann wären sie auch in ihren Partnerschaften zufriedener. Ihr Unglück käme nur durch ihre übermäßige Orientierung an Beziehungen, die den Frauen als ungesunde »Abhängigkeit« ausgelegt wird, als kindliches Bedürfnis, als unangemessenes Klammern. Hätten Frauen ein stärkeres Selbstwertgefühl, bräuchten sie die Zuwendung und Bestätigung anderer nicht in solch hohem Maße. Sie würden sich auch ohne diese für wertvoll halten. Weil aber ihr Selbstwertgefühl schwächelt, sind sie bedürftig nach Zuwendung. Bleibt diese aus oder fällt sie zu »schwach« aus, kann dieser Mangel an Bestätigung zu Selbstzweifeln und im Extremfall in die Depression führen.
    Hört man, wie depressiv erkrankte Frauen über ihr Beziehungserleben sprechen, dann besteht durchaus die Gefahr, dass man diese Erzählungen unter der Überschrift »Zu wenig Autonomie« einordnet. Doch damit wird man den betroffenen Frauen nicht gerecht. Das, worunter sie leiden, hat eine ganz andere Dimension. Wer wirklich verstehen will, was Frauen wollen und was sie tatsächlich bekommen, darf sich nicht vom oberflächlichen Eindruck in die Irre führen lassen.
    Inge schreibt ihrem Mann Briefe. Sie hofft, dass er diese liest. Denn anders kann sie nicht zu ihm durchdringen: Wenn sie mit ihm reden will, wehrt er ab oder wird ärgerlich. »Dass ich Briefe schreibe, ist eine Notlösung«, sagt Inge. »Wenn ich Wünsche habe oder mich über etwas ärgere, dann ist kein Gespräch mit meinem Mann möglich. Sobald ich etwas Kritisches sage, eskaliert es gleich. Wie ein Sprung in der Schallplatte, es läuft immer auf die gleiche Weise ab. Er wird dann außerordentlich destruktiv, und es endet sehr häufig damit, dass er mir mit Scheidung droht. Ich habe immer wieder verzweifelt versucht, eine andere Möglichkeit, eine andere Gesprächsebene zu finden, Gehör zu finden. Vergeblich! In Gesprächen läuft es immer gleich ab: Er hört mir einfach | 115 | nicht zu, er wird sarkastisch oder zynisch, er gibt mir keine Möglichkeit, ein Problem partnerschaftlich zu lösen, zum Beispiel in der Form, dass mal jeder sagen darf, was er möchte oder nicht möchte, und jeder den anderen dann anhört und ernst nimmt oder wenn es halt mal nicht anders geht, dass jeder abwechselnd mit seinen Wünschen mal drankommt. Mein Hauptgefühl ist das Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit: Ich habe im Grunde nichts zu sagen, nichts zu bestimmen, meine Gefühle und Bedürfnisse zählen nicht.«
  
    Nicht ernst genommen von ihrem Partner fühlt sich auch Charlotte. Sie hat immer wieder das Gefühl, dass sie für ihren Mann der »allerunwichtigste Mensch« ist. »Alle anderen Menschen sind für ihn viel wichtiger, für die macht er alles Mögliche, nur für mich nicht. Ich komme immer erst zum Schluss, wenn überhaupt. Dass er mich mal fragen würde, was ich möchte, wie es mir geht – das kommt so gut wie gar nie vor. Dabei tue ich alles für ihn: sorge für ein schönes Zuhause, halte ihm den Rücken frei und bin da, wenn er was will.«
  
    Helga ist in erster Ehe mit Helmut verheiratet. Schnell hintereinander schenkte sie zwei Kindern das Leben, vor kurzem kam noch ein drittes hinzu. Um den Nachwuchs gut versorgen zu können, gab sie bereitwillig ihre Berufstätigkeit auf, obwohl ihr die Arbeit in einer sozialen Einrichtung für Behinderte sehr viele Freude bereitet hat. Ihr Mann Helmut sorgt als Werbefachmann finanziell gut für die Familie, es mangelt ihr materiell an nichts. Allerdings ist er selten zu

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