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Wer bin ich ohne dich

Wer bin ich ohne dich

Titel: Wer bin ich ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Nuber
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Depression. Sie verbergen vor sich selbst und vor anderen, wie es ihnen geht. Sie setzen sich eine Maske auf. Die Frage »Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?«, können gestresste und depressionsgefährdete Frauen klar beantworten: »Ich bin zwei.« Da gibt es ein nach außen hin lächelndes und funktionierendes Selbst und ein leidendes, belastetes, hoffnungsloses Selbst. Anderen Menschen erscheinen sie völlig normal, während sie sich innerlich schrecklich fühlen. Eine Zeitlang mag dies funktionieren. Doch irgendwann wird die Maske, hinter der sich die betroffenen Frauen verbergen, schwerer und schwerer. Bis sie eines Tages droht, sie unter sich zu begraben.
    Frauen, die Masken tragen, um ihrer Umwelt nicht ihr wahres Ich zeigen zu müssen, kämpfen einen oftmals langwierigen, schweren Kampf gegen die Stressoren in ihrem Leben, einen Kampf, der den Stress noch weiter erhöht. In vielen Fällen sind die Folgen zunächst im körperlichen oder psychosomatischen Bereich zu spüren. Die Betroffenen leiden unter Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, tiefer Erschöpfung, ziehen sich von Menschen zurück, geben ihre Hobbys auf. Auch hinter diversen körperlichen Beschwerden verbirgt sich häufig eine Depression. So können zum Beispiel Schmerzerkrankungen ein typisches Zeichen einer larvierten Depression sein. Im Vordergrund stehen dann der schmerzende Rücken, die steifen Hände, die Schulter-Arm-Beschwerden, die Migräne, die peinigenden Gelenke. Die erkrankten Frauen bekommen Diagnosen wie Fibromyalgie oder chronisches Schmerzsyndrom, ohne dass jemand erkennen würde, dass sie möglicherweise an einer Erschöpfungsdepression leiden. | 109 | Wären die behandelnden Ärzte wachsamer, könnten sie in den meisten Fällen »zwischen den Zeilen« erkennen, worunter die betroffenen Frauen wirklich leiden.
    Wie Stress, Depression und körperliche Erkrankungen zusammenhängen, erläutert der Psychiater Otto Benkert: »Der Dauerstress bewirkt erhebliche Stoffwechselverschiebungen, besonders eine vermehrte Ausschüttung des Stresshormons Kortisol und Störungen des autonomen Nervensystems. Diese Veränderungen des Stoffwechsels können zu körperlichen Krankheiten führen und sind Mitauslöser von Depressionen. Die Depression ihrerseits aktiviert weitere Stoffwechselschritte, so dass das Risiko für körperliche Erkrankungen weiter zunimmt.« In vielen Fällen dauert es lange, bis diese Zusammenhänge aufgedeckt werden. Erst wenn die Depression in ein schwereres Stadium übergeht, wenn Hoffnungslosigkeit und Ohnmachtsgefühle zunehmen und die betroffene Frau immer handlungsunfähiger wird, kann der wirkliche Auslöser der körperlichen Beschwerden erkannt werden: die Depression. | 110 |

Hauptsache in Kontakt bleiben
   Leiden in und an Beziehungen
    »Auch wenn es Theoretiker und Wissenschaftler manchmal vergessen, depressive Menschen werden es ihnen erzählen, dass zwischenmenschliche Beziehungen für sie von Bedeutung sind; sie werden ihnen erzählen, dass gute Beziehungen sie vor Depression schützen; sie werden ihnen erzählen, dass schlechte Beziehungen Depressionen verursachen und aufrechterhalten können … und in all dem haben sie Recht.« Die amerikanischen Psychologen Thomas Joiner und James C. Coyne sprechen hier von allen depressiv Erkrankten – besonders zutreffend ist die Aussage jedoch für die Situation betroffener Frauen.
    In den bisherigen Ausführungen klang bereits immer wieder an, wie wichtig Beziehungen für Frauen sind: Sie kümmern sich um andere, sie sind für andere emotionale Stütze und Ansprechpartnerin bei Problemen; sie pflegen alte Angehörige, sie vermitteln und sind auf Ausgleich bedacht. Diese Orientierung an den Mitmenschen und die Sorge für und um andere ist – wie im vorherigen Kapitel gezeigt – für viele Stressbelastungen verantwortlich. Aber nicht nur das: Beziehungen selbst können für Frauen zu dem Stressfaktor überhaupt werden, wenn sie nicht das bieten, was sie sich von ihnen erhoffen: Geborgenheit und Nähe, Verständnis und Zärtlichkeit, Heimat und Vertrauen.
    So manche Frau erlebt in ihren Beziehungen ein Ungleichgewicht: Während sie anderen Aufmerksamkeit und Zuwendung schenkt und sich für die Beziehung einsetzt, bekommt sie zu we | 111 | nig Aufmerksamkeit für ihre eigene Person, für die Dinge, die sie beschäftigen. Frauen, die depressiv werden, haben oft das Gefühl, das man ihnen nicht zuhört, an ihrem Erleben und ihren Gefühlen nicht wirklich interessiert ist.

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