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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Rufen deines oder meines Munds -
und sie bricht ein
ganz ohne Lärm und Laut.
    ANSELM GRÜN: Ja, es ist nur eine schmale Wand zwischen Gott und uns. Gott ist immer da. Er ist die eigentliche Wirklichkeit, die uns umgibt, in der wir leben. Mich fasziniert die keltische Spiritualität, wie sie auch in die christliche Spiritualität Irlands eingegangen ist. Diese Spiritualität spricht von der allgegenwärtigen Präsenz Gottes in der Schöpfung.
    Überall umgibt uns Gott. In allem umgibt uns Gott. Gottes Geist durchdringt die Meere und Flüsse, die Berge und Täler, die Steine und die Wiesen, die Wälder und die Quellen. Überall begegnet uns Gottes Liebe und Gottes heilende Gegenwart.

    WUNIBALD MÜLLER: Da gibt es nichts in unserem Leben, was nicht auf irgendeine Weise von Gott beeinflusst und berührt worden ist. Die Mauer zwischen Gott und uns - es ist eine Mauer, die wir aufgerichtet haben oder immer wieder aufrichten - existiert für Gott nicht. Gott wirkt ungehindert in unser Leben hinein.
    Es hängt von uns ab, ob wir Gott in unserem Leben entdecken. Ob wir alle Erfahrungen - die schönen und die schrecklichen, die Grenzerfahrungen und die Gipfelerfahrungen - als voneinander getrennte, nacheinander ablaufende Erfahrungen, die einfach passieren, betrachten, oder ob wir sie von Gottes Sein und Wirken her sehen, deuten und bewerten. Wenn wir das tun, werden sie in ihrer eigentlichen Bedeutung erkannt und durch die damit verbundene Sinngebung gekrönt. Sie werden zu einer spirituellen Erfahrung. Die spirituelle Erfahrung setzt unserem Leben die Krone auf. Ohne sie bliebe unser Leben ungekrönt.

»Damit in allem Gott verherrlicht werde«
    ANSELM GRÜN: Der heilige Benedikt hat eine christliche Lebenskultur geschaffen. Ihm war es wichtig, dass die Menschen, die ein Kloster besuchen, in allem, was sie sehen, Gottes Gegenwart und den Geist Jesu Christi erkennen. Das beginnt schon beim Begrüßen. Der Abt soll vor dem Gast niederknien und in ihm Christus anbeten, der ja in jedem Menschen aufgenommen wird. Das zeigt sich in der Art des
Gottesdienstes, des Umgangs miteinander, in der Art, wie man das Kloster baut und die Anlagen pflegt, wie man isst und wie man arbeitet.
    Es ist eine ständige Herausforderung, dass wir in allem, was wir tun, für Christus durchlässig sind. Indem wir das versuchen, entdecken wir, dass vieles in uns noch ungetauft ist, dass vieles nicht vom Geist Jesu durchdrungen ist, sondern doch vom Geist des Egos, der Macht, der Gier, der Maßlosigkeit.
     
     
    WUNIBALD MÜLLER: Der Theologe Paul Tillich (in: Feldmann 2004, S. 57) schreibt: »Wenn ich gefragt werde, was der Beweis für den Sündenfall der Welt ist, pflege ich zu antworten: die Religion selber, nämlich eine religiöse Kultur neben einer Welt dieser Kulturen - ein Tempel neben einem Rathaus, das Abendmahl des Herrn neben einem täglichen Abendessen, das Gebet neben der Arbeit, Meditation neben Forschung, caritas neben eros...« Dietrich Bonhoeffer hat dasselbe gemeint, als er forderte, »nicht religiös« über Gott zu reden und ihn nicht an den Rändern, sondern in der Mitte des Lebens zu suchen. Gott ist überall.
    Eine Spiritualität, die sich nicht beschränken will auf gute, angenehme innere Erfahrungen, muss vor der Wirklichkeit des Alltags bestehen können, muss dort hineinwirken. Gott atmet in jedem Augenblick unseres Seins. Gott durchwirkt jeden Moment unseres Seins. Er haucht uns Leben ein, tanzt mit uns den kosmischen Tanz des Lebens beim Schlafen, bei der Arbeit, im Beten, beim Schwimmen, im Lachen und Weinen, bei der Erfahrung von Schmerz und Lust. So ist Gott immer präsent, immer wirkend, schaffend, gebärend. Ist das nicht wunderbar? Es ist wunderbar. Gott
wird dadurch in unserer Vorstellung dorthin zurückgeholt, wo er ja immer schon ist: in unserem Leben, in unserem Alltag. Die Trennung, da Abendmahl, dort Abendessen, ist aufgehoben. Gott wird nicht länger zur sonntäglichen Nebensache herabgestuft oder in die Kirchen verbannt. »Gott ist der Grund, der Horizont und der Autor jeder Erfahrung« (Rolheiser 2004, S. 125).
     
     
    ANSELM GRÜN: Der heilige Benedikt sieht als Ziel aller Arbeit, allen Betens, allen Strebens: »damit in allem Gott verherrlicht werde« - ut in omnibus glorificetur Deus. Er schreibt diesen Satz im Kapitel über die Handwerker. In der Arbeit der Handwerker soll Gott verherrlicht werden.
    Er zählt die Bedingungen auf, damit die Handwerker sich nicht selbst in der Arbeit verherrlichen, sondern

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