Wer Bist Du, Gott
dass wir Gott Einlass in unser Herz und in unsere Seele gewähren und er für uns in unserem Erkennen und Wahrnehmen anwesend ist.
ANSELM GRÜN: Ja, Gott ist immer da. Aber Gott ist nicht so da wie ein Freund, den ich sehe. Gott ist in seiner Unbegreiflichkeit da, als der, den ich nicht verstehe, der all mein Verstehen übersteigt, der mir manchmal auch dunkel erscheint. Karl Rahner, über den ich promoviert habe und dessen Theologie ich mich immer noch verpflichtet fühle, warnte immer wieder davor, Gott als zu klein zu sehen, Gott unseren menschlichen Maßstäben unterzuordnen, Gott als die Lösung aller Probleme und Fragen zu verstehen.
Darin, so meint er, stecke zwar ein Körnchen Wahrheit. Doch wir könnten das nur sagen, wenn wir Gott in seiner Unbegreiflichkeit sehen. Dieser unbegreifliche Gott umgibt mich immer und überall. Auf diesen unbegreiflichen Gott stoße ich, wenn ich in mich hineinschaue, wenn ich auf den Grund meiner Seele blicke. Denn auch sie ist letztlich unbegreiflich.
Die Unbegreiflichkeit Gottes ist auch der Ort, an dem wir uns mit den Atheisten treffen. Denn wenn sie nicht einfach nur ihrer platten Rationalität glauben, sondern ihre Vernunft zu Ende denken, stoßen sie letztlich immer auch auf das Unbegreifliche. Und dann kommt es darauf an, ob wir das Unbegreifliche unseres Daseins als »leere Absurdität des Daseins« verstehen oder aber als die Unbegreiflichkeit Gottes, »die selig macht« (Rahner, Schriften zur Theologie Bd. 13, 1978, S. 127).
WUNIBALD MÜLLER: Gott ist da. Er ist anwesend. Auch in Kriegsgebieten. Inmitten von Schock und Schrecken, die sich allenthalben ausbreiten. Er lässt sich nicht vertreiben. Er ist da als der Unbegreifliche, der sich aller Zugriffe von außen entzieht, für alle aber zugänglich ist, die nach ihm verlangen und die ihn brauchen. Gott ist da bei den Menschen, die in Angst und Schrecken versetzt werden. Er ist bei den Männern, Frauen und Kindern, die voller Panik die Flucht ergreifen, soweit es noch möglich ist. Er ist bei den Soldaten, die um ihr Leben bangen.
ANSELM GRÜN: Der Gott, der in mir Schrecken hervorruft, das ist die eine Erfahrung Gottes. Die andere bezieht sich auf den Gott, der mitten in den Schrecken von Krieg, Terror und Naturkatastrophen gegenwärtig ist und mir zur Zuflucht vor dem Schrecken wird.Wenn ein Unglück über uns hereinbricht, dann haben wir oft das Gefühl, Gott habe uns verlassen, er habe sich zurückgezogen. Doch gerade dort, wo Gott abwesend zu sein scheint, weil er uns nicht als der Schützende und Bergende begegnet, sondern als der
Verborgene, käme es darauf an, an Gottes Gegenwart zu glauben. Dann könnte Gott ein Schutz und Schirm für uns werden.
Die Mönche sprechen davon, dass man sich gleichsam auf den Baum des Gebetes zurückziehen soll, um sich vor den wilden Tieren zu schützen, die einen zu zerreißen drohen. Mitten im Bombenterror an Gottes schützende Gegenwart zu glauben, ist nicht leicht. Aber wer es vermag, der erfährt selbst in traumatischen Erfahrungen noch einen Schutz, der ihn vor dem Trauma bewahrt.
WUNIBALD MÜLLER: Wir haben hier nur andeuten können, dass Gott alles durchwirkt, immer da ist, in seiner Unbegreiflichkeit da ist. Thomas Merton schreibt in einem Brief an die evangelische Theologin Rosemary Ruether (in: Tardiff 1995, S. 17): »Da gibt es ein wirkliches Gefühl von einer tiefer liegenden Wirklichkeit und ein Vertrauen darauf, nämlich ein Gefühl für die Anwesenheit Christi in unserer Welt und das Vertrauen, dass das so ist. Etwas, was ich für keinen Augenblick in Zweifel ziehe. Doch ist diese Anwesenheit dort, wo wir behaupten, dass sie ist? Wir zeigen mit den Fingern (in verschiedene Richtungen) und ich habe das schreckliche Gefühl, dass wir alle in die falsche Richtung zeigen.«
Manchmal wünschte ich mir, wir hätten etwas mehr von dieser Zurückhaltung und Demut, wenn wir von Gott sprechen, davon, wo er wohnt, was er meint, was er will, wo er wirkt, und so weiter. Je zurückhaltender wir dabei sind, je demütiger wir uns dabei verhalten, desto näher sind wir ihm dann vielleicht.
TEIL IV
Grund meiner Hoffnung
Du
bist der Grund meiner Hoffnung
Du lebst als tiefes Geheimnis in mir
Kommen auch Tage des Zweifels
der Ungewissheit
wo vieles wie eine große Lebenslüge erscheint
so versuche ich
vertrauensvoll zu Grunde zu gehen
Weil Du
mich durch diese Verunsicherung
zur Quelle des Lebens führen wirst
damit in mir auch Schwäche
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