Wer bist du, schöne Juno
Blickes fügte er hinzu: „Ich bin der Besitzer von Creachley Manor.“
Creachley Manor? Helen blinzelte. Wenn dem so war, war Mr. Swayne tatsächlich ihr nächster Nachbar. Die zum Besitz gehörenden Ländereien umschlossen fast ihr Land. Creachley Manor war das größte Anwesen in unmittelbarer Nachbarschaft.
„Ich verstehe“, sagte Helen. „Wie nett von Ihnen.“
Sie wies auf einen nahestehenden Sessel und beobachtete Mr. Swayne, während er sich umständlich setzte. Bestürzung war ihre vorherrschende Reaktion, Bestürzung über diesen Besuch und die Neuigkeit, daß Mr. Swayne so nahe wohnte. Sie traute seiner leichthin gemachten Entschuldigung kein bißchen.
„Aber woher wußten Sie, daß ich hier bin?“
„Hm, äh, das heißt... habe davon gehört“, antwortete Hedley mit ausdruckslosem Blick. „Durch das Nachrichtensystem des Dorfes, wenn Sie wissen, was ich meine.“
Helen neigte höflich den Kopf. Da sie den größten Teil des Lebens auf dem Land verbracht hatte, wußte sie sehr genau, was Mr. Swayne gemeint hatte. Aber kein dörfliches Nachrichtensystem funktionierte so schnell, obwohl die Schnelligkeit, mit der Nachrichten sich verbreiteten, sie oft in Erstaunen versetzt hatte.
Sie war mit Janet erst spät am vergangenen Abend eingetroffen. Die Droschke mit den Begleitern war sofort zu der nach London führenden Straße zurückgefahren. Heute war der erste Tag, an dem irgend jemand im Dorf etwas von ihrer Ankunft hätte erfahren können, und das auch nur durch Janets Erscheinen im Ort.
Mr. Swayne hatte gelogen. Doch in welcher Absicht?
„Kann ich Ihnen Tee anbieten, Sir?“
Nach diesem Vorschlag sah er leicht beunruhigt aus. Sein schweifender Blick blieb an einer kleinen Karaffe hängen, die auf dem Sideboard stand. Helen zog korrekt die Schlußfolgerung, daß der anspruchsvolle Mr. Swayne nicht besonders viel für Tee übrig hatte.
„Oder lieber ein Glas Sumpfdotterblumenwein? Wäre das mehr nach Ihrem Geschmack?“
Bereitwillig stimmte Hedley ihr zu.
Im stillen dankte sie der Köchin, die in London eine Flasche des köstlichen Weines in Janets Vorratskorb gepackt hatte. Sie schenkte Mr. Swayne eine großzügige Menge des Sumpfdotterblumenweines ein und reichte ihm das Glas.
„Ich muß sagen, liebe Lady Walford, daß es mir ein Vergnügen ist, Sie zu sehen.“
Angesichts seines seltsamen Lächelns wuchs ihr Unbehagen. Sie nickte jedoch nur und fragte sich, was sie sagen solle. Glücklicherweise hatte er einen unaufhörlichen Redefluß. Er plauderte weiter, und anfänglich hatte sie den Eindruck, daß sein Gerede ziellos war. Dann, als er die Ereignisse im ton berichtete, begann sie zu begreifen, welchem Muster seine Enthüllungen folgten. Sie drehten sich alle um kürzlich erfolgte Skandale und darum, wie nachteilig sie sich für die betroffenen Frauen ausgewirkt hatten. Im besonderen ging es darum, wie die unglücklichen Folgen für die betroffenen Frauen die Möglichkeiten einer eventuellen Heirat eingeschränkt hatten.
Helen gab an den richtigen Stellen die richtigen Laute von sich, denn das war alles, was Mr. Hedley erwartete, um ihn weiterplappern zu lassen, während sie sich fragte, ob sie es wagen solle zu erraten, worauf er unter dem Strich hinauswollte.
Es war so, wie sie geargwöhnt hatte.
Er hielt inne, trank einen Schluck Wein und fuhr dann fort: „Und dann machte da auch noch dieses bekümmernde Gerücht die Runde“, sagte Hedley und betrachtete die gepflegten Fingernägel.
Und das war, wie Helen dachte, genug.
„Tatsächlich?“ fragte sie und hatte eisige Kälte in das eine Wort gelegt.
Zu ihrer Bestürzung hatte es nicht die beabsichtigte Wirkung.
„Meine liebe, liebe Lady Walford!“ sagte Hedley, sprang auf und näherte sich ihr.
Sie machte runde Augen, als sie sah, daß er das Glas auf den Tisch stellte. Überrascht erhob sie sich und blieb wie angewurzelt stehen, da er mit weitausgebreiteten Armen zu ihr kam, als wolle er sie umarmen. Kaum hatte er einen Arm um sie gelegt, kam sie jäh zur Besinnung.
„Mr. Swayne! Ich habe keine Ahnung, welche Gerüchte Ihnen zu Ohren gekommen sind, aber ich versichere Ihnen, daß ich nicht den Wunsch habe, sie mit Ihnen zu diskutieren.“
Er furchte die Stirn und erwiderte verdrossen: „Sie haben sich aus London zurückgezogen,meine liebe Dame. Aber wissen Sie, die Leute werden reden.“
" Es geht mich nichts an, was immer sie sagen mögen. Gerüchte sind Gerüchte und nicht mehr.“
„Ah, ja! Aber dieses
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