Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
gesprochen werden würde. Denn: Sicher war – nach allem, was geschehen war – keine andere Gemeinde im gesamten Umkreis am Kauf des Altares interessiert. Und ohne einen Abnehmer: Wohin sollte man dann mit diesem platzraubenden Kunstwerk? Ganz zu schweigen von der Frage, ob der Bildhauermeister die ihm eigentlich vertraglich zustehenden Raten für die restliche Arbeit überhaupt noch erhalten würde.
Josefine nestelte nervös an ihrer Rocktasche herum. „Kann ich bitte reinkommen? – Ich möchte `was loswerden...“
„Ja, natürlich“, sagte der Bildhauer und wich von der Türöffnung zurück, um ihr Einlass zu gewähren. „Ich habe gerade Besuch von meiner Familie. Hoffe, dass das nicht stört.“
Josefine trat in den winzigen Flur ein, der zudem vollgestopft mit irgendwelchen Werkzeugen war, deren Nutzen sie nicht einmal erahnte. Auch die Stube war sehr klein, mit einem alten, rußigen Ofen in der Ecke und einigen abgenutzten Möbeln. Eine noch recht junge Frau, die Josefine als die Tochter des Bildhauers erkannte, hockte auf dem verschlissenen Teppich neben einem vielleicht vier- oder fünfjährigen Jungen, der mit Holzklötzchen spielte. Die Frau stand auf, als sie den Gast erblickte und streckte Josefine die Hand zur Begrüßung entgegen.
„Meine Tochter – und mein Enkelsohn, der kleine Rudolph“, stellte der Bildhauer die Frau und das Kind nicht ohne Stolz in der Stimme vor. Josefine kannte die beiden bereits flüchtig vom Sehen auf der Straße. Auch sie nannte kurz ihren Namen, wandte sich dann aber schnell wieder an Meister Rudolph. „Ich hatt‘ den ganzen Weg über Angst, dass ich überfallen werde, Herr Rudolph. Aber zum Glück steht’s mir ja nicht auf die Stirn geschrieben, dass ich so viel Geld dabei hab.“
Sie griff in ihre Rocktasche und holte einen prallen Umschlag hervor, den sie dem verdatterten Bildhauer entgegenstreckte. „Hier. Damit ist wohl der ganze Rest des Altares bezahlt. Sie sollen sich beeilen, dass Sie damit fertig werden und am besten `nen neuen Gesellen anstellen. Mindestens einen.“
Zögernd, fast ehrfürchtig, nahm Meister Rudolph den Umschlag entgegen, öffnete ihn und leerte ihn auf einem niedrigen Holztisch aus. Die Augen seiner Tochter wurden nicht minder kugelrund, als seine eigenen, als die beiden all die Scheine erblickten. Josefine hatte schon, bevor sie ihren Dienstgang angetreten hatte, gewusst, dass sie ein kleines Vermögen mit sich führte. Herr Adlam hatte das Geld schließlich direkt vor ihren Augen in die beiden Umschläge gesteckt: einen Umschlag für den Bildhauer – und einen für den Fassmaler.
„Aber das ist doch viel zu viel! – Und die Ratenzahlungen... warum plötzlich alles auf einmal?“
Meister Rudolph schwankte zwischen Faszination, Unglauben und Misstrauen: Eben noch schien das Meisterwerk seines Lebens dem Untergang geweiht, und nun war es plötzlich gerettet! Und es würde so viel Geld übrig bleiben...
„Fragen Sie mich mal, warum er mich mit dem vielen Geld durch die Landschaft schickt. Ich weiß es doch auch nicht“, antwortete Josefine ihm. „Die kleinen Raten hat er immer dem Geldboten mitgegeben – aber die großen Scheine, das ist plötzlich meine Sache. Wohl, weil ich besonders gut Diebe und so‘ n Gesindel in die Flucht schlagen kann!“
„Sind Sie sicher, dass Herr Adlam noch ganz bei Sinnen ist?“ erkundigte sich Meister Rudolphs Tochter skeptisch. „Ich meine, ich will ja nicht beleidigend werden, aber vielleicht hat ihm das ganze Theater in letzter Zeit doch etwas zugesetzt...“
Josefine zuckte die Schultern. „Darüber würd‘ ich mir an Ihrer Stelle keine Gedanken machen. – Hier...“ Sie griff abermals in die Rocktasche und zog ein gefaltetes Stück Papier hervor. „Da müssen Sie unterschreiben, dass Sie es gekriegt haben. Und dass Sie ganz schnell wieder anfangen, mit der Arbeit. Der Fassmaler kriegt auch schon sein Geld, Sie sollen sich am besten noch heute mit ihm absprechen...“
Meister Rudolph unterbrach sie. „Was heißt das? Tragen Sie etwa noch so einen Umschlag mit sich herum? Für den Maler?“
Josefine nickte kurz. „Ja, und den will ich so schnell es geht auch noch loswerden: Der Maler wohnt ja zum Glück nicht weit weg.“
„Na, Sie sind ja eine treue Seele“, bemerkte die Tochter des Bildhauers. „Wie viele Jahresgehälter geben Sie denn damit wieder aus den Händen, wenn Sie beide Umschläge losgeworden sind?“
Josefine sah der Frau überlegend ins Gesicht, doch ihr
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