Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Worten und seinem Verhalten gefolgert. Es sprach ihn zwar niemand direkt darauf an, aber die ängstliche Geheimhaltung galt ihm augenscheinlich nicht.
„Dem Georg hat er die Hände verbrannt, dass er heute noch unerträgliche Schmerzen hat“, schimpfte eine raue Stimme, die Konrad schlussendlich als Jakobs identifizierte. Er blieb stehen und bat den Mann zu sich.
Jakob reagierte recht erschreckt, und dann ängstlich. „Du verrätst doch dem Meister nichts?“
Konrad klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter. „Nein, nein. Mach dir keine Sorgen darum. Es geht um etwas völlig anderes.“
„Ja?“ fragte Jakob erleichtert und gespannt zugleich.
Konrad nahm ihn beim Arm und führte ihn ein Stück fort aus der Gruppe, an einen einsameren Ort. Als sie außer Hörweite der anderen in der Dunkelheit standen, blickte er sich noch einmal aufmerksam um, bevor er in seine Tasche griff und die Kette, die der Junge getragen hatte, hervorholte. Jakob konnte natürlich im Finstern nicht erkennen, was sein Gegenüber da in der Hand hielt, deshalb erklärte Konrad es ihm kurz: „Ich habe hier ein Schmuckstück für dich, das du bitte weitergibst.“ Er drückte es Jakob direkt in die Hand, denn er selbst konnte trotz des fehlenden Lichts noch sehr gut sehen. „Es ist für deine Schwester bestimmt.“
„Ich... aber ich kann nicht zu ihr...“, stammelte Jakob verwirrt.
„Nein, du kannst es ihr nicht persönlich geben“, stimmte Konrad ihm zu. „Deshalb lässt du es von Roberts Zimmermädchen übergeben, Josefine. Sie ist ständig im Dorf und macht Besorgungen. Wende dich an sie.“
„Und... was soll ich ihr sagen?“
„Dass du dich um deine kleine
Schwester sorgst. Es ist eine Kette mit Kreuzanhänger, er soll sie beschützen. Das Stück ist nicht sonderlich wertvoll. Katharina wird glauben, dass es von dir kommt. Ich verlasse mich darauf, dass du deiner großen Sorge gut Ausdruck verleihen kannst.“
„Ich strenge mich an.“
„Und kein Wort. Zu niemandem. Du tust es für eine gute Sache, das sei dir versichert.“
„Ist es... etwas gegen ihn? “
„Wenn der Priester irgendetwas davon mitbekommt, dann sind wir beide dran, das weißt du“, warnte Konrad eindringlich, statt zu antworten.
Jakob steckte die Kette eilig ein. „Alles klar“, flüsterte er heiser.
Konrad setzte seinen Weg durch die Dunkelheit fort, entfernte sich immer weiter von den Helfern und dem Ort des vergangenen nächtlichen Geschehens. Seine Beine trugen ihn schon wieder sehr gut und auch seine Sinne waren beinah so klar und geschärft, wie er es gewohnt war.
Robert Adlam entdeckte er am Fluss, wo er weit abseits des Fackellichts knietief im Wasser stand und sich Kopf und Oberkörper wusch. Mantel und Hemd lagen am Ufer, beide waren stark mit Blut verschmutzt. Konrad erkannte sogar die roten Flecken auf den Kleidungsstücken, wo ein anderer nicht einmal die Schemen der Textilien wahrgenommen hätte.
„Wenn man einmal seine Hände blutig gemacht hat“, rief Konrad ihm zu, „kann man sie so lange in Unschuld waschen, wie man will: Das Blut bleibt kleben und du wirst für immer ein Mörder sein!“
Robert blickte zur Uferböschung hinauf und Konrad registrierte, dass er exakt in seine Richtung sah, die Augen sogar auf sein Gesicht gerichtet hatte. Die Dunkelheit schien diesem Kerl ebenso wenig auszumachen, wie ihm selbst.
„Ich habe meine Leichen nicht gezählt“, kam die Antwort. „Aber jeder Körper trägt eine Seele in sich. Und es kann gut sein, dass, wenn wir alle den Weg des Irdischen gegangen sind, wir unsere Rollen tauschen werden: Dann sind die Opfer die Starken, und du und ich die Schwachen.“
------- JOSEFINE ------
Durch die Fensterscheibe in der Tür sah sie, dass sich niemand in der Werkstatt aufhielt. Der Raum war dunkel und verlassen, die Einzelteile des unfertigen Altares in den Ecken verstaut.
Josefine ging an der Frontseite des Hauses entlang und bog dann um die Ecke, um zum Seiteneingang zu gelangen. Dort klopfte sie kräftig an die Tür.
Drinnen vernahm sie Stimmen, das Lachen eines Kindes und die ermahnenden Worte eines Mannes. Dann waren Schritte zu hören. Die Tür wurde von innen aufgesperrt und Meister Rudolphs bärtiges Gesicht blickte ihr entgegen.
„Ja?“ fragte er.
„‘Tag“, sagte Josefine. „Herr Adlam schickt mich – es geht um den Altar.“
Meister Rudolph legte sogleich sorgenvoll die Stirn in Falten, wohl in Erwartung, dass das Todesurteil über sein Werk nun
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