Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Roberts Wunsch gewesen war. Wie allerdings der Wortlaut des Zaubers aussehen würde, das wusste nur der Priester, dem die Ausführung dieses Teils der heutigen Zeremonie oblag. Und genau dies interessierte Konrad brennend, hing doch Gedeih und Verderb seines Vorhabens mit dieser Frau davon ab.
Jemand löschte etwa die Hälfte der noch verbliebenen Fackeln und eine dämmrige Dunkelheit senkte sich auf den Platz herab. Konrad saß nun in völliger Finsternis, doch das behagt ihm mehr, als dass es ihn störte. Er war ein Mensch, der für die Nacht und ihre Stille geschaffen war, nicht für das helle Licht. Die Stimme des Priesters erklang leise, sodass Konrad ihren Wortlaut nicht verstehen konnte. Auch Robert sagte etwas, doch auch seine Worte trug der Schall nicht bis an Konrads Ohr. So sehr er sich auch anstrengte, etwas zu verstehen, die gesprochenen Worte blieben ihm rätselhaft. Nur wenige unzusammenhängende Silben drangen bis zu ihm. Er beobachtete, wie einige der Helfer in die Mitte traten und offenbar assistierten. Dann spürte er, dass die Luft sich wieder mit diesen merkwürdig starken Vibrationen anfüllte, die ihn ebenso unerwartet von den Beinen gerissen hatten. Er sperrte sein Gehirn gegen diese Schwingungen, denn er fühlte, dass er sie in seinem momentanen Zustand nicht verkraften konnte. Es war erstaunlich leicht, sich vor ihnen abzuschirmen und die Distanz zu den Vorgängen zu bewahren.
Was mit einer ekstatischen Opferung begonnen hatte, endete in einer stillen, fast intimen Zeremonie, die der Priester und Robert Adlam wie aufeinander eingespielte Partner gemeinsam durchführten. Nur ab und zu traten einige Helfer – jedes Mal andere, die Wahl der Zuständigkeit schien reihum zu verlaufen
- zu den beiden und Konrad wurde bald klar, was ihre Aufgabe war: Robert verlangte jedem von ihnen ein Stück ihrer magischen Energie ab, auch wenn diese noch so gering war. Er wollte den Zauber so stark wie möglich werden lassen, um dieser Frau den größtmöglichen Schutz zu bieten. Unter diesen Umständen, fand Konrad, war es eigentlich gar nicht so schlecht, bar jeglicher Kraft abseits zu sitzen: Er selbst konnte somit in Roberts Spiel nicht mehr mitspielen, er war aus der Rechnung gestrichen. Und der jämmerliche Einsatz, den die anderen Männer mit sich brachten, war nichtig gering.
Es dauerte mehr als eine Stunde, bis das Ritual abgeschlossen war. Konrad empfing den Priester wieder auf seinen Beinen stehend unter dem Baum, wo er vorher abgesetzt worden war.
„Ich sehe, es geht dir besser“, meinte der Priester hörbar erfreut.
„Ich lebe noch“, erwiderte Konrad mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Dann komm mit mir“, forderte ihn sein Meister auf. „Die Nacht ist noch nicht vorbei.“
Konrad folgte ihm zu der Stelle, wo die Opferung stattgefunden hatte. Die Helfer waren gerade dabei, den Altar wieder in seinem Bett in der Erde zu verstauen. Der blutige Körper des Jungen lag zusammengekrümmt auf der Erde, die gebrochenen Augen waren weit geöffnet und starrten ins Leere. Stirn und Oberkörper waren mit dicken Blutkrusten überzogen.
Robert Adlam stand neben der Leiche und blickte auf sie herab. Dasselbe Blut, das den toten Körper bedeckte, klebte auch noch immer an seiner Haut und seiner Kleidung. Als der Priester ihn ansprach, hob er den Kopf.
„Ich will sein Herz“, wies der Meister Robert an.
Dieser schüttelte leicht den Kopf. „Ich bin müde. Kannst du denn niemals ein Ende finden?“
„ Das wäre das Ende, für heute“, entgegnete der Priester ihm.
„Lass es deinen Freund machen. Er wird es jetzt wohl wieder zustande bringen, ein Messer zu halten.“
„Du wirst diese Nacht meinen Willen t un“, verlangte der Priester jedoch unbeirrt. „Das hast du versprochen. Und das ist das mindeste, was du mir für all deine vielen Wünsche geben wirst.“
„Das Herz?“ fragte Robert kühl. „Oder meine Seele?“
„Beides, mein Freund.“ Die Augen des Priesters blitzten angriffslustig hinter den Schlitzen der Kapuze.
„Sein Herz bekommst du, weil er tot ist“, erwiderte ihm Robert. „Und was meine Seele betrifft: Auch die ist für niemanden zu haben, so lange ich atme.“
„Tapfer gesprochen“, meinte der Priester. „Jetzt handele auch tapfer.“ Er griff in die Tasche seines Gewandes und zog das Messer hervor, das Robert bei der Opferung verwendet hatte. Auch daran haftete noch das geronnene Blut des Jungen, die Klinge war dunkelrot.
Robert streckte die Hand aus
Weitere Kostenlose Bücher