Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
und nahm das Messer entgegen, aber Konrad konnte seinen Widerwillen deutlich in seinen Augen lesen. Dennoch fügte er
sich aufgrund seines Versprechens – und sicher auch deshalb, weil der Priester ihm deutlich genug gemacht hatte, dass jegliche Skrupel fehl am Platz waren, wenn er sein hochmütiges Vorhaben wahrhaftig verwirklichen wollte: Nicht mehr zu dienen, sondern seinem Lehrer ebenbürtig zu sein.
Er hockte sich zu der verdrehten Leiche. Das wächserne, blutige Gesicht des Kindes war zu einer Maske des Grauens verzerrt. Die Qual seiner letzten Lebensstunden war ihm deutlich anzusehen. Konrad kannte diese Gesichter des Todes, er hatte zahllose davon gesehen. Auch Robert musste sie kennen, schließlich hatte er etwas mehr als vierundzwanzig Monate bei den Schwarzen Brüdern verlebt und Konrad brachte es gerade mal auf ein Drittel der Zeit. Natürlich hatte Konrad in den Jahren vor seinem Zusammentreffen mit dem Priester auf seinem eigenen Weg Erfahrungen gesammelt und sich Wissen angeeignet. Die Magie des Priesters war kein Neuland für ihn gewesen, jedoch war sein heutiger Meister für ihn der erste Mensch, der das theoretische Wissen auch praktizierte.
An seinen geübten Handgriffen erkannte Konrad genau, dass Robert schon sehr häufig den Brustkorb eines Menschen geöffnet haben musste. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er das blutige Herz des Jungen in der Hand hielt und es dem Priester achtlos vor die Füße schleuderte. Auch das Messer warf er auf den Boden, stand wortlos auf und schlug den Weg zum Flussufer ein.
Konrad bückte sich, um das Messer aufzuheben. Der Priester stand an seiner Seite und warf einen kurzen Blick auf das kleine Herz hinab, dann wandte er sich Konrad zu. „Geh nach Hause und ruhe dich aus. Den Dreck hier werden andere beseitigen.“
„Was ist mit der Frau?“ fragte Konrad müde.
„Der Mensch, der sich ihr mit der Absicht nähert, sie zu verletzen oder zu töten, der wird auf der Stelle sterben. Sein Herz wird einfach aufhören, zu schlagen. Du willst sie doch nicht verletzen?“
„Ihr Körper wird unbeschadet bleiben.“
„Alles andere ist egal“, erklärte der Priester. „Führe sie Stück für Stück heran an die wundersame Welt der unendlichen Möglichkeiten. Nimm dich aber dabei in Acht, dass er es nicht bemerkt.“
Konrad nickte. Dass seinem Vorhaben noch immer nichts im Wege stand, hörte er mit Genugtuung: So nachgiebig der Priester sich auch Robert gegenüber verhalten hatte, der Feind war trotzdem noch lange nicht zum Freund erklärt. Seine genauen Pläne wollte Konrad jedoch für sich behalten. Es konnte gut sein, dass sie dem Willen des Priesters widersprachen, und er wollte sich seine Ideen nicht verbieten lassen. Mit zufriedener Miene wandte auch er sich ab wollte in Richtung Fluss davon gehen, doch der Priester rief ihn zurück. „Lass das Messer hier, wenn du dort runter gehst“, mahnte er ihn.
Konrad drehte sich wieder um. „Wieso?“ fragte er. „Sorgst du dich etwas um ihn?“
Der Priester schüttelte den Kopf. „Nein. Ich sorge mich vielmehr um dich .“
Dass dieser Kommentar Konrad einen Stich versetzte, ließ er sich nicht anmerken. Er händigte seinem Meister fügsam das Messer aus mit der Beteuerung, dass er sowieso nicht vorgehabt habe, Robert an den Fluss zu folgen. Er schritt zwischen den mit Aufräumen beschäftigten Männern durch und lauschte aufmerksam auf ihre Stimmen. Allein auf diese Weise konnte man die schwarzen Gestalten auseinanderhalten.
Nur noch vier Fackeln, die kurz vor dem Erlöschen waren, spendeten ihnen Licht. Konrad hörte deutlich heraus, dass die Helfer etwas unzufrieden waren damit, dass der Priester sich heute Nacht nicht um ihre Wünsche gekümmert hatte. Doch jeder von ihnen schien zuversichtlich, dass das Versäumte in allernächster Zeit nachgeholt werden würde. Denn ihr Meister hatte sie noch nie im Stich gelassen.
Größere Missstimmung herrschte darüber, dass der Mann, der so viele von ihnen verfolgt, angegriffen und verjagt hatte, plötzlich wieder direkt in ihrer Mitte weilte und der Priester von ihnen verlangte, dies widerspruchslos zu akzeptieren. Allerdings wurden die Klagen über diese Umstände nur in äußerst verhaltenem Tonfall vorgebracht, mit sichernden Blicken nach rechts und links, ob weder der Priester, noch Robert Adlam selbst in ihrer Nähe war. Dass Konrad auf ihrer Seite stand, was ihre Unzufriedenheit mit der völlig neuen Situation betraf, hatten sie offensichtlich aus seinen
Weitere Kostenlose Bücher