Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
so vertraute Gesicht mit dem breiten Kinn und den energischen Zügen. Die Augen waren von dort unten auf ihn gerichtet, mit einer Mischung aus Zorn und Hilflosigkeit, die ihm selbst nur allzu sehr vertraut war.
„Ich schwöre dir“, sagte Robert, „dass sich dein großer Lebenstraum niemals erfüllen wird. Deine Dynastie von sogenannten neuen Menschen, v o n Missgeburten einer manipulierten Natur , wird niemals entstehen. Ich werde keine Kinder in die Welt setzen, das verspreche ich dir. Keine Nachfahren, die die alte Menschheit verdrängen könnten. Du hast verloren. Ich gehe meinen eigenen Weg. Und ich war deine einzige Chance.“
Dann presste er die geistigen Hände um des Priesters Verstand mit aller Kraft zusammen, mit dem festen Willen, zu zerstören. Das kantige Gesicht verzog sich, die Augen wurden weit aufgerissen. Das Fackellicht tanzte wie flackernde Irrlichter in den geweiteten Pupillen, die Robert mit einem Ausdruck anstarrten, der durch Mark und Bein ging.
Robert ließ nicht locker.
Er wollte diesen starken Geist zerquetschen, ihn restlos vernichten. Und er fühlte deutlich, dass etwas unter seinem eisernen Griff nachgab. Etwas brach zusammen, wie ein Turm aus trockenem Sand, der langsam zerbröckelte. Die auf ihn gerichteten, weit geöffneten Augen trübten sich, die Lider begannen, zu zittern. Den großen, schweren Körper durchfuhr ein sichtbarer Schauer. Die Gegenwehr war völlig zusammengebrochen.
„ Vorbei“, flüsterte Robert rau, ohne seine eigene Stimme wahrzunehmen. „ Der Kampf ist vorbei... Du gehst... und ich werde frei sein.“
Blut rann aus Mund und Nase des Priesters, die schmalen, erbleichten Lippen begannen, zu zittern. Robert vergaß den Wald, die Lichtung, den Stein, gegen den er lehnte. Er sah nur noch dieses sterbende Gesicht, nahm jeden einzelnen Zug darin wahr.
Er verspürte keinen Triumph, kein Glücksempfinden.
Seine Gefühlswelt war leer und finster. Als habe jemand alle Lichter in ihm zum Erlöschen gebracht. Wie in einer letzten Versöhnungsgeste streckte der Priester ihm die bebende Hand entgegen. Vielleicht wollte er Robert auch um Gnade bitten. Oder ihm einen Schlag versetzen. Ganz gleich, welche Absicht hinter dieser unkoordinierten Gebärde steckte: Robert reagierte nicht darauf. Er gönnte sich selbst und seinem auf dem Boden knienden Gegner nicht die kleinste Atempause. Immer weiter drang er vor, verstärkte gnadenlos die harte Umklammerung, bis jeglicher Widerstand zerbrach und der Oberkörper des Priesters zur Seite fiel und auf den Waldboden aufschlug.
Im selben Moment schwand auch Roberts Bewusstsein.
***
Man hatte ihn fälschlicherweise für tot gehalten, sonst wäre er wohl niemals wieder erwacht.
Vielleicht hatten sie es auch nur nicht gewagt, ihn weiter anzurühren. Die Leute des Priesters besaßen gehörigen Respekt vor ihm, das war ihm nicht entgangen. Dass sie es überhaupt gewagt hatten, aus ihren sicheren Verstecken wieder hervor zu kriechen, war äußerst erstaunlich.
Aber es war, als stände ein besonders starker Schutzengel an Roberts Seite, denn nicht zum ersten Mal wachte er aus tiefem Schlaf wieder auf und stellte nicht ohne Verwunderung fest, dass er noch immer am Leben war. Der Begriff ‚Leben‘ stellte sich allerdings in diesem Fall als stark relativ heraus. Das Bewusstsein hatte er zwar wiedererlangt, doch war seine Wahrnehmung noch äußerst getrübt und keines seiner Glieder mochte seinem Willen gehorchen.
Er konnte sich nicht bewegen.
Er konnte nur atmen, auf der Seite liegend, als sei er gelähmt.
Er sah nichts als Schatten um sich und den äußerst schwachen Schein von verlöschendem Feuer.
Minuten vergingen.
Die letzte Fackel ließ endgültig ihr Leben und völlige Dunkelheit kehrte ein. Das Rauschen in seinem Kopf legte sich allmählich, die Stille des Waldes drang zu ihm durch. Es war eine ganz und gar natürliche Stille. Rascheln im Unterholz, der Schrei eines Vogels, ein leichter Wind strich durch die Wipfel der Bäume. Ganz, ganz langsam drehte er den Kopf, die Nackenmuskeln schienen eine vage Erinnerung daran zu verspüren, dass sie seinem Willen untergeordnet waren. Die Augen begannen, vereinzelte Schemen zu erkennen.
Eine Schale erschien in seinem Sichtfeld, nur einige Zentimeter neben seinem Kopf. Es war die mit seinem eigenen Blut gefüllte Silberschüssel, die noch nicht ausgegossen worden war. Er erinnerte sich an die belebende Wärme der Blutstropfen auf seinen Lippen, daran, wie das warme
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