Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Auseinandersetzung.“
„Meinst du?“ Diane war dies alles wohl noch gar nicht aufgefallen, obwohl sie sich doch wirklich stark auf ihn konzentriert hatte.
„Diane“, warf Tante Agnes mit ungewohnt strenger Stimme ein, sodass beide Schwestern ihr unverzüglich Aufmerksamkeit schenkten. „Ein wenig mehr Zurückhaltung würde dir guttun. Du siehst doch, dass deine indiskreten Avancen ins Leere verlaufen.“
„Welche Avancen?“ fragte Diane mit unschuldsvoller Miene. Die großen, blauen Augen blickten perfekt ahnungslos. Anna kannte diesen Ausdruck im Gesicht ihrer Schwester nur allzu genau. Natürlich wusste Diane, worauf ihre Tante sie ansprach.
Herr Adlam brachte das Pferd zu ihnen. Diane wollte es sogleich selbst am Halfter nehmen und zum Stall führen. Doch das Tier schnaubte unwillig und riss den Kopf ruckartig zurück, sodass Annas Schwester das Halfter aus der Hand glitt. Sie ließ sich jedoch nicht so leicht entmutigen und griff ein zweites Mal zu, diesmal energischer. Dabei redete sie besänftigend auf das Tier ein. So gelang der zweite Versuch, obwohl das Pferd unruhig blieb.
Auf dem Rückweg zum Stall schob sich Tante Agnes taktisch zwischen Herrn Adlam und ihre älteste Nichte, um dem jungen Mann einige unverfängliche Fragen zu seinen Reitpferden zu stellen. Diane ihrerseits hatte genug damit zu tun, das nicht eben temperamentlose Pferd zu beruhigen, und schaltete sich in das laufende Gespräch deshalb nicht mehr ein.
Im Stall angekommen wurde einer der Pferdepfleger, die gerade dabei waren, die Boxen zu reinigen, von Herrn Adlam aufgefordert, das Pferd zu satteln. Allerdings wusste der Mann nicht, wo ein Damensattel zu finden war. Sein Chef musste ihm erst kurz erklären, wo er alles finden konnte, was er benötigte.
Endlich war es so weit: Das fertig gezäumte, unruhige Pferd wurde von dem Pferdepfleger auf den Hof geführt. Diane nahm ohne zu zögern die Zügel in die Hand und wies den Mann ab, der ihr beim Aufsteigen behilflich sein sollte. Herr Adlam sah schweigend, aber interessiert zu, wie Diane dem Pferd zuerst über die bebenden Nüstern streichelte, dann mit den Händen sanft den Hals nachfuhr, um dem Tier danach die Mähne zu kraulen. Sie flüsterte beruhigende Worte. Am Ende hielt das Pferd zwar den Kopf ruhig, scharrte aber mit dem Vorderhuf auf dem Pflaster.
Diane beschloss, dass es jetzt an der Zeit war, aufzusitzen.
Herr Adlam wandte keine Sekunde lang den Blick von ihr, das fiel Anna auf. Er schien wirklich gespannt zu sein, was geschehen würde. Auf Tante Agnes‘ Stirn war eine deutliche Sorgenfalte zu sehen, während sie ihre ältere Nichte im Umgang mit dem nicht sonderlich vertrauenserweckenden Tier beobachtete.
Annas Schwester stellte ihren Fuß in den Steigbügel und zog sich auf den Rücken des Tieres. Das Pferd riss den Kopf zurück und stieß ein widerwilliges Schnauben aus. Mit einem temperamentvollen Satz, der eine weniger gute Reiterin bereits aus dem Sattel gehoben hätte, setzte es sich in Bewegung. Es lief in schnellem Trab den gewundenen Pfad zur Koppel hinunter. Anna sah ihrer Schwester nach, bis Pferd und Reiterin nach etwa hundert Metern in einer Kurve verschwanden.
„Sehen Sie: Meine Schwester ist genauso eigenwillig, wie das Pferd“, meinte Anna nach einigen Momenten des Schweigens und war dabei recht stolz auf Diane.
„Wahrscheinlich. Aber ich befürchte, sie ist nicht auf Überraschungen vorbereitet.“
Mit einer Handgeste forderte Herr Adlam seine beiden verbliebenen Gäste auf, ihm den Weg den Hügel hinunter zu folgen. Anna und Tante Agnes gesellten sich an seine Seite.
Jetzt, wo Anna nicht mehr im Schatten ihrer Schwester stand, wagte sie es, eine private Frage zu stellen. „Was ist mit Ihnen los? Hatten Sie einen Reitunfall?“
„Ich bin auf jemanden getroffen, der mich nicht ausstehen konnte“, erwiderte er lapidar, aber mit vollem Ernst.
Wieder war Anna von seiner Direktheit überrascht, denn ein anderer hätte sich in diesem Moment sicher auf einen Unfall herausgeredet.
„Oh, dann hoffe ich doch, dass Ihre Verletzung nicht schlimm ist. Ich befürchte, wir fallen Ihnen sowieso schon zur Last.“
In Herrn Adlams Gesicht flackerte ein kurzes Lächeln auf, das für einen Augenblick so viel Warmherzigkeit durchscheinen ließ, dass Anna gar nicht darauf gefasst war.
„Wenn Sie mir zur Last fallen würden“, erklärte er, „dann hätte ich Sie bereits fortgeschickt.“
Wenig später erschien Diane auf ihrem Pferd wieder in Annas
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