Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
Zustimmung. Sie honorierte diese eindeutige Geste mit einem erfreuten Lächeln. „Schön, dass Sie mit mir einer Meinung sind.“
„Ihre Argumente sind überzeugend“, erwiderte er in einem Tonfall, der schon fast ein wenig anzüglich war.
Doch Diane störte das nicht. Ganz im Gegenteil: Sie merkte, dass er sie nun endlich als eine Person wahrnahm, die es wert sein könnte, sich näher mit ihr zu beschäftigen. Und das war immerhin ein erster kleiner Sieg für sie.
In einer Ecke des Raumes stand ein kleiner, runder Tisch mit drei niedrigen Sesseln. Er wählte jetzt diesen etwas gemütlicheren Ort, um ihr einen Sitzplatz anzubieten. Diesmal nahm sie das Angebot gerne an, trennte sie beide nun doch nicht mehr dieser ungastliche Schreibtisch. In dem Moment, als er sich zu ihr setzte, beobachtete sie, dass er für einen kurzen Augenblick die Lippen aufeinander presste und die Augen schloss. Mit einer Hand griff er sich an die linke Seite. Annas Vermutung, bei seinem Unwohlsein handele es sich nicht um eine Grippe, sondern um eine Verletzung, fand hierdurch eine Bestätigung.
„Ist es sehr schlimm?“ fragte sie ihn, nun mit einiger Besorgnis.
„Ich sollte mich nicht beklagen“, sagte er. „Vermutlich habe ich es mir verdient.“
„Ein Sturz?“ erkundigte sie sich weiter.
„Eine Unstimmigkeit“, antwortete er ihr und rang sich ein müdes Lächeln ab. „Es ist wohl besser, wir vertiefen dieses Thema nicht weiter.“
„Sie scheinen ein recht bewegtes
Leben zu haben“, meinte Diane daraufhin. „Es ist häufig so, dass das Schicksal einigen Menschen keine Ruhe lässt – während andere sich ihr Leben lang langweilen.“
„Vielleicht lassen einige Menschen sich selbst keine Ruhe“, erwiderte er. „Man sollte nicht alles dem Schicksal zuschreiben.“
„Glauben Sie nicht an eine gewisse Vorbestimmung unseres Lebens?“
Er antwortete nicht gleich, sein Blick schweifte einen Moment lang ab.
„Sicher können wir uns nicht alle Gegebenheiten aussuchen“, sagte er nach einer Weile nachdenklich. „Aber wenn wir durch unser eigenes Handeln gar keine Veränderungen bewirken könnten, dann wäre die Luft um uns herum lebendiger, als wir selbst. Denn sie hat immerhin die Kraft, zu bewegen und zu zerstören.“
Diese Antwort veranlasste Diane, einige Sekunden lang zu schweigen und nachzudenken. Sie glaubte an die Vorbestimmung des einzelnen Menschen durch das Schicksal. Doch diese Weltanschauung hatte sie nie als einen derart hoffnungslosen Zustand interpretiert, wie er ihn ihr nun vor Augen führte.
„Wir sind sicher nicht vollkommen machtlos“, meinte sie schließlich überlegend. „Aber jedem Menschen ist doch ein gewisser Rahmen gegeben, aus dem er nicht heraus kann. Der Rahmen wird bestimmt durch seine jeweiligen Talente, seine Vorlieben, seine Abneigungen. Und natürlich auch durch sein menschliches Umfeld, das wiederum durch eigene, feste charakterliche Voraussetzungen festgelegt ist. Ein jeder hat also nur eine beschränkte Anzahl von Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten. Von Geburt an.“
Robert Adlam reagierte auf diese Worte mit einem leichten Kopfschütteln.
„Haben Sie mir nicht vorhin noch geraten, mich zu entspannen?“ fragte er mit einem sichtlichen Schmunzeln.
„Sie wissen doch genau, dass das nur ein Vorwand war“, antwortete Diane mit einem unschuldsvollen Augenaufschlag. „Ich habe Ihnen mein wirkliches Interesse nicht verheimlicht.“
„Ist Ihr Interesse auch vom Schicksal bestimmt?“ erkundigte er sich, während er sich im Sessel zurücklehnte. Die Abgeschlagenheit war noch immer deutlich aus seinem Gesicht zu lesen, doch schien er sich immer mehr mit ihrem Gespräch anzufreunden. Seine entspannte Haltung verriet, dass er allmählich zu einer gewissen inneren Ruhe fand. Die Aufmerksamkeit, um die sie sich auf dem Weg zur Pferdekoppel erfolglos bemüht hatte, galt jetzt endlich vollkommen ihr. Diane tat es ihm also gleich und lehnte sich entspannt im Sessel zurück. Sie dachte kurz nach, ehe sie ihm antwortete.
„Mein Interesse wird durch mein Gefühl bestimmt“, erklärte sie. „Und mein Gefühl ist nicht beliebig oder zufällig. Es weist mir eine Richtung, die ich dann mit großer Wahrscheinlichkeit auch einschlagen werde. Und der Weg, auf den mich mein Gefühl führt, entspricht meinem Charakter. Wenn man den Charakter eines Menschen vollkommen ergründen könnte, dann wären alle seine Entscheidungen voraussehbar.“
„Das ist nur dann
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