Wer Blut vergießt
ausbügelt. Wenn Andy Monahan in diesen Fall verwickelt ist, dann hat sie wesentlich ernstere Probleme als Dougs verletzte Gefühle, und ich auch.«
»Andy könnte keine verlässlicheren Alibis haben als die Aussagen von Tam und Melody.«
»Nein, aber vorläufig ist er tabu für Melody. Ich schicke sie gleich morgen früh in Shauns Kanzlei; mal sehen, was sie dort herausfindet. Und ich werde selbst mit Andy Monahan reden.«
»Bist du sicher, dass du gegen seine Verführungskünste immun bist?« Er zog sie näher an sich heran und küsste sie leicht auf den Hals.
»Ich muss zugeben, dieses Video ist wirklich eine Wucht …«, neckte sie ihn.
Kincaid hatte es ihr vorhin gezeigt, und Kit hatte ihnen dabei über die Schultern geschaut. »Das ist genial«, hatte Kit gesagt. »Du meinst, du kennst die zwei?«, hatte er hinzugefügt, offensichtlich beeindruckt von Andy und Poppy. »Kann ich mir den Song runterladen?«
Jetzt knabberte Kincaid an ihrem Ohr. »Du meinst, die Musik ist eine Wucht. Nur die Musik.«
»Hör auf, das kitzelt.« Gemma war nicht bereit, sich vom Thema ablenken zu lassen. »Und ich werde Caleb Hart noch einmal unter die Lupe nehmen.« Dieser Gedanke erinnerte sie wieder an ihre Hauptsorge. »Du, sag mal, hatte Charlotte heute wirklich keine Probleme, als sie mit Doug allein war?« Charlotte hatte ihr begeistert von ihrer Cremeschnitte erzählt, und von Dougs Gipsfuß war sie schwer beeindruckt gewesen. Sie hatte Gemma erklärt, dass Doug einen Unfall gehabt habe und dass man auf Leitern immer ganz vorsichtig sein müsse. »Und am Samstag, als sie den Spaziergang mit Michael und den Hunden gemacht hat, war da auch alles in Ordnung?«
»Ich hatte den Eindruck, dass es ihr gut ging.«
Gemma löste sich von ihm und drehte den Kopf, um sein Gesicht sehen zu können. »Glaubst du, dass es allmählich besser wird mit ihr?«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich denke, es hat geholfen, dass sie die beiden kennt.«
»Ja, aber bis jetzt wollte sie ja immer nur bei Betty oder Alia bleiben; das heißt doch, dass sie jedenfalls gewisse Fortschritte macht. Und wenn wir nicht bald eine Lösung wegen einer Schule für sie fin…«
»Schsch.« Er legte ihr den Finger an die Lippen. »Darüber müssen wir uns doch heute Abend keine Gedanken machen.« Er nahm ihre Hand und zog sie hoch, wobei sie den empörten Cockerspaniel vom Sofa vertrieben. Am Kamin streckte sich Sid und gähnte herzhaft. »Komm jetzt. Ich glaube, es wird höchste Zeit, dass du ins Bett kommst.«
Erst viel später wurde ihr bewusst, dass er äußerst geschickt das Thema gewechselt hatte.
Am nächsten Morgen fuhr Gemma als Erstes nicht zum Revier, sondern direkt zu Andy Monahans Wohnung. Sie wusste zwar, dass Musiker nicht gerade als Frühaufsteher bekannt waren, doch sie war fest entschlossen, ihn zu Hause zu erwischen, selbst wenn sie ihn aus dem Bett klingeln musste.
Nachdem sie ihren Escort in der engen Hanway Place vorsichtig auf den Gehsteig manövriert hatte, stieg sie aus und blickte zu den düsteren Fassaden der Gebäude auf. Der schmale Streifen Himmel, den sie über sich sehen konnte, war bleigrau, und die Luft, die von der Oxford Street durch die enge Häuserschlucht wehte, roch nach Autoabgasen und dem ranzigen Fett der Fast-Food-Restaurants und Imbissbuden. Vermischt mit diesen Gerüchen glaubte sie einen leisen Hauch von Schnee wahrzunehmen.
Sie fand seinen Namen auf dem Schild und hatte gerade den Finger auf den Klingelknopf gelegt, als die Haustür aufging und Andy mit einem rechteckigen Gitarrenkoffer in der Hand herausstürmte und sie um ein Haar umrannte.
»Oh, tut mir leid«, sagte er, dann blieb er plötzlich stehen und starrte sie an. »Ich kenne Sie doch. Ich habe Sie schon bei Louise gesehen. Sie sind die Pflegemutter der kleinen Charlotte.«
»Es ist noch ein bisschen komplizierter. Ich bin auch Melody Talbots Vorgesetzte. Detective Inspector Gemma James.«
Andy war wie vom Donner gerührt. »Sie sind Polizistin? Aber ich dachte, es wäre Duncan, der – Ich meine …«
»Wir sind beide bei der Polizei.«
»Melody sagte, sie müsste mit ihrer Chefin reden, aber ich hätte nie gedacht …«
»Ist schon irgendwie komisch, nicht wahr? Die Welt ist nun mal ein Dorf. Sagen Sie, können wir uns vielleicht irgendwo unterhalten?« Sie dachte an Melody und hatte plötzlich Skrupel, darauf zu bestehen, dass sie in seine Wohnung gingen – als ob sie damit die Privatsphäre ihrer Freundin verletzen würde. »Gleich um
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