Wer Blut vergießt
noch nie irgendetwas Persönliches gefragt, doch er hielt es nicht aus, nichts zu sagen. »Nadine, geht es Ihnen gut?«
Mehr als alles andere wollte er sie berühren, sie irgendwie trösten in ihrem Kummer, was immer es sein mochte, aber im Grunde seines Herzens wusste er, dass es eine Grenze war, die er nicht überschreiten durfte.
Im schwindenden Licht sah er ihr schwaches, flüchtiges Lächeln, als sie den Kopf zu ihm drehte. »Mir geht es gut. Es ist nur die Hitze, die macht mich gereizt. Ich wünschte, das Wetter würde umschlagen.« Sie zuckte nervös mit den Achseln und schlug nach einer Mücke, die auf ihren nackten Beinen landen wollte. »Mach dir um mich keine Gedanken.« Mit einem Seufzer drückte sie ihm ihre leere Tasse in die Hand und stand auf. »Danke für den Tee, Andy. Gute Nacht.«
Ehe er etwas erwidern konnte, verschwand sie in ihrer Wohnung, und mit einem Klicken fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Er kam sich abserviert vor.
16
Der letzte Schlag traf den Crystal Palace am 30. November 1936, als das Gebäude in Flammen aufging und binnen Stunden zerstört wurde. Buckland und seine Tochter, die gerade einen Abendspaziergang machten, sahen Rauch aus dem Palast aufsteigen, und als sie dort ankamen, trafen sie auf zwei Nachtwächter, die das noch kleine Feuer zu löschen versuchten. Die Feuerwehr wurde alarmiert, doch trotz des Einsatzes von 89 Löschfahrzeugen und 400 Feuerwehrleuten brannte der Crystal Palace bis auf die Grundmauern nieder.
Betty Carew, www.helium.com
»Melody hat was getan?«, fragte Kincaid und zog eine Augenbraue hoch.
Es war spät, aber die Kinder waren endlich im Bett, Gemma hatte die Antipasti gegessen, die Kincaid ihr bei Carluccio geholt hatte, und saß nun zusammengerollt neben ihm auf dem Wohnzimmersofa, eine Tasse Kakao in der Hand. Geordie hatte sich von der anderen Seite an sie gekuschelt, und Sid lag lang ausgestreckt vor dem Kamin, um möglichst viel von der Wärme des flackernden Gasfeuers abzubekommen. Die Haut am Bauch des Katers schimmerte rosa durch seinen schwarzen Pelz hindurch.
»Du hast genau gehört, was ich gesagt habe.«
»Ich konnte es bloß nicht glauben«, erwiderte er, und sie hörte das Schmunzeln in seiner Stimme. »Ich hatte mir Melody immer mit irgendeinem geschniegelten Sohn aus besserem Hause vorgestellt. Einem Investmentbanker, oder vielleicht einem Arzt oder Anwalt.«
»Dann kennst du sie aber nicht sehr gut. Wenn Melody keine rebellische Ader hätte, dann hätte sie nie ihrem Vater die Stirn geboten und diesen Job angenommen.«
»Trotzdem, ist das nicht ein ziemliches Klischee – mit dem Leadgitarristen ins Bett zu hüpfen?«
Gemma boxte ihn mit ihrer freien Hand in den Arm. »Das ist nicht lustig. Und Superintendent Krueger wird es weiß Gott auch nicht lustig finden, wenn sie davon erfährt.«
» Wenn? Du hast es ihr noch nicht gesagt?«
»Ich warte noch auf Rashids offizielle Bestimmung des Todeszeitpunkts, ehe ich Melodys Aussage in die Fallakte eintrage. Ich hoffe, dass er ihn vor Mitternacht ansetzen wird, dann kann ich einfach sagen, sie habe Monahan während dieser Zeit in einem Club vernommen. Und als ich zuletzt mit Superintendent Krueger gesprochen habe, war ihre größte Sorge, den Medien so lange wie möglich die Details von Shaun Francis’ Tod vorzuenthalten. Die Reporter sind schon angerückt, als ich heute Nachmittag zum Cleaver Square zurückkam. Sie werden nicht lange brauchen, um Amanda Francis’ Adresse herauszubekommen.«
Was Krueger tatsächlich gesagt hatte, war: »Schaffen Sie mir einen Verdächtigen her, ehe diese Sache durchsickert, sonst haben wir hier einen Medienzirkus, und Sie wollen doch sicher nicht die Hauptattraktion sein.« Im Klartext: Dies war der erste richtig große Fall, den Gemma in ihrem neuen Team zu bearbeiten hatte, und sie sollte zusehen, dass sie ihn nicht verbockte.
»Also kein Druck«, sagte Kincaid leichthin, und sie wusste, dass er verstanden hatte. »Ich werde Doug nichts sagen, aber ich befürchte, er wird es so oder so herausfinden«, fügte er hinzu, nun wieder ganz ernst.
»Sie sind doch nur befreundet«, protestierte Gemma. »Es ist ja nicht so, als ob sie ein Paar wären oder so.«
»Vielleicht nicht im herkömmlichen Sinne. Aber Doug ist ja schon ausgeflippt, als er nur gehört hat, wie Melody über Andy Monahan gesprochen hat. Deswegen wollte er auch unbedingt zu meinem Gespräch mit Tam mitkommen.«
»Oje. Tja, dann muss Melody zusehen, wie sie das wieder
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