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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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nächste Mal ein Bier spendieren«, rief er ihr nach, als sie in der Menge abtauchte.
    Melody tat so, als hätte sie ihn nicht gehört, und schlüpfte zur Tür hinaus. Dann stürmte sie los, ohne auf die Richtung zu achten, während ihre Gedanken rotierten.
    Andy hatte ihr gesagt, der Typ, den er an dem Abend geschlagen hatte, sei nur irgendein betrunkener Gast gewesen, der versucht hatte, seine Gitarre anzufassen. Wenn es stimmte, was Nick gesagt hatte, dann hatte Andy ihn gekannt. Andy hatte gelogen.
    Nach ihrem Gespräch mit Andy in der Oxford Street verbrachte Gemma den Rest des Vormittags auf dem Revier in Brixton, wo sie die Fäden der zwei separaten Ermittlungen zu einem schlüssigen Ganzen zusammenzuführen versuchte – mit sehr bescheidenem Erfolg.
    Sie schob ihren Stuhl vom Computer zurück und rieb sich die müden Augen. Es half nichts – sie mussten wieder zum Anfang zurückgehen.
    Vincent Arnott war regelmäßig am Freitagabend ins White Stag gegangen, wo er gelegentlich Frauen angesprochen hatte. Er hatte sie ins Belvedere mitgenommen und war anschließend nach Hause zurückgekehrt, um sich um seine kranke Ehefrau zu kümmern. Was war also letzten Freitagabend anders gewesen?
    Caleb Hart hatte beschlossen, Andy Monahans Band dort auftreten zu lassen, dachte sie.
    War das ein Auslöser gewesen, oder hatte es mit den anderen Ereignissen nichts zu tun? Warum hatte Hart behauptet, Arnott nicht zu kennen, obwohl es doch sehr wahrscheinlich war, dass er ihn schon einmal im Pub gesehen hatte? Hatte Hart wirklich an jenem Freitagabend das Pub verlassen, um zu einem Treffen der Anonymen Alkoholiker zu gehen?
    Es wurde Zeit, dass sie das herausfand, und dazu war es nötig, Caleb Hart offiziell zu vernehmen.
    Sie erwog, Maura Bell zu bitten, mit ihm zu sprechen, aber wenn Hart ihr gegenüber erwähnte, dass Kincaid gestern bei ihm gewesen war, wäre Gemma gezwungen, Maura diese ziemlich unorthodoxe Methode der Informationsbeschaffung zu erklären, und das wollte sie lieber vermeiden. Melody hatte die Sache schon kompliziert genug gemacht, da musste sie nicht noch einen draufsetzen.
    Rashid war noch damit beschäftigt, im Royal London in Whitechapel die Leiche von Shaun Francis zu obduzieren, und so beschloss Gemma, selbst in Harts Büro vorbeizuschauen. Sie fuhr mit der U-Bahn von Brixton bis Liverpool Street und ging von dort über den Spitalfields Market zu der Adresse in der Hanbury Street, die Kincaid ihr gegeben hatte.
    Wie immer, wenn sie in letzter Zeit das East End besuchte, fragte sie sich, ob Charlotte als erwachsene Frau in diesen Straßen Heimatgefühle bekommen würde oder ob die Eindrücke ihrer ersten Lebensjahre von den nüchternen Grün- und Grautönen von Notting Hill überlagert sein würden.
    In der Hanbury Street war heute jedenfalls von Wärme oder Farbe nichts zu spüren. Düstere braune Backsteinfassaden wichen nach einer Weile schäbigen postmodernen Kästen, und der kalte, feuchte Wind zerrte an Gemmas Haaren und am Saum ihrer Jacke. Sie fand den Eingang zu Harts Büro und trat ein.
    Der Empfangsbereich war ultraschick, ebenso wie die Empfangsdame, die von ihrem Schreibtisch aufblickte und ihre perfekt geformte Nase rümpfte, als sie Gemma sah. Gemma kam sich plötzlich ganz zerzaust vor, mit ihren Haaren, die sich aus dem Zopf gelöst hatten, und ihren vom Wind geröteten Wangen. Duncan hätte sie ruhig vorwarnen können, dachte sie, während sie sich eine Strähne aus dem Gesicht strich und sich um ein betont forsches Auftreten bemühte.
    »Ich bin Detective Inspector James, Metropolitan Police«, sagte sie und zeigte ihren Dienstausweis vor. »Ich möchte Mr Hart sprechen.«
    »Er ist nicht da.« Die junge Frau ließ keine Spur von Interesse oder Bedauern erkennen. Ihrem Akzent nach war sie ein waschechtes East-End-Gewächs, gab sich aber wohl gerade deshalb besonders trendy.
    »Wissen Sie, wann er wiederkommt?«
    »Keine Ahnung.«
    »Können Sie mir sagen, wie ich ihn erreichen kann?«
    Die junge Frau zuckte mit den Schultern und reichte ihr eine Visitenkarte aus einem kleinen Silberschälchen auf ihrem Schreibtisch. »Das ist seine Handynummer. Aber er geht nie dran, wenn er die Nummer nicht kennt, also müssen Sie ihm eine Nachricht hinterlassen.«
    »Super. Vielen Dank.« Welche Art von Nachricht musste man wohl hinterlassen, damit Caleb Hart einen zurückrief?, fragte sich Gemma. »Vielleicht könnten Sie mir helfen«, sagte sie und lächelte dabei. Es konnte nicht schaden, die

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