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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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war?«
    »Ich hatte ihn vorher noch nie gesehen, und ich habe Andy schon gekannt, als er gerade erst mit der Schule fertig war.«
    Melody zog das Foto von Shaun aus der Tasche. »War es der?«
    Nick betrachtete es eine Weile und schüttelte dann den Kopf. »Nein. Ganz bestimmt nicht.«
    »Können Sie mir sagen, wie er aussah?«
    »Ungefähr in unserem Alter. Ein ganz normaler Typ. Dünn. Ein bisschen ungepflegt.« Nick zuckte mit den Achseln. »Er hatte diesen speziellen Blick. Wenn man lange genug in einer Band gespielt hat, erkennt man den sofort. Drogen. Alkohol. Irgendwie nicht ganz sauber.« Er sah Melody in die Augen. »Ich habe einfach angenommen, dass er ein besoffener Randalierer ist, und weil Andy von uns schon so genervt war, hat es ihm da einfach gereicht. Aber im Nachhinein kommt es mir schon ein bisschen merkwürdig vor, wie Andy auf ihn reagiert hat. Als ob es etwas Persönliches wäre.«
    »Haben Sie hinterher mit Andy darüber gesprochen?«
    Nick lachte sarkastisch. »Vergessen Sie’s. Andy hat nicht mit uns geredet. Er wollte nicht mal mit uns im Bus in die Stadt zurückfahren. Und Tam ist wie eine Glucke um Andy herumscharwenzelt und hat ein Mordstheater gemacht wegen seiner Hand. Na ja, ich kann’s ja verstehen. Ich hoffe, es ist nicht allzu schlimm.«
    »Wieso rufen Sie ihn nicht noch mal an?«, schlug Melody vorsichtig vor. Sie konnte nichts von dem wiederholen, was Andy ihr erzählt hatte, und sie war sich auch nicht sicher, ob sie hier die Vermittlerin spielen sollte.
    Diesmal war Nicks Lächeln schon entspannter. »Niemand will der Erste sein, der sich entschuldigt. Es ist so, wie wenn eine Beziehung in die Brüche geht, verstehen Sie? Man weiß schon, dass es aus ist, aber es ist trotz allem ein Scheißgefühl.«
    »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht ganz …«
    »Die Band. Es ist vorbei, aber keiner von uns will es zugeben. In ein, zwei Monaten können wir sicher alle zusammen einen trinken gehen und darüber lachen. Aber im Moment …« Er leerte das Glas und runzelte die Stirn. »Sie haben mir immer noch nicht gesagt, was Sie genau von mir wollen. Obwohl, wenn ich ehrlich bin, habe ich Ihnen noch kaum Gelegenheit dazu gegeben.« Diesmal war der Blick, mit dem er sie ansah, abschätzend und auch ein wenig flirtend.
    O Gott, dachte sie. Nick war ein gutaussehender Typ, aber das war eine Komplikation, auf die sie gut verzichten konnte. Errötend sagte sie: »Es geht um den Mann, der Andy nach dem Streit beschimpft hat. Kannten Sie ihn?«
    Nick sah einen Moment lang verständnislos drein. »Dieser weißhaarige Typ? Nein, ich dachte, das ist bloß irgendein cholerischer alter Knacker. Ich hab nicht so genau drauf geachtet, wenn Sie’s genau wissen wollen.«
    »Haben Sie Andy vorher oder nachher noch mit dem Mann reden sehen?«
    »Nein, er war mir vorher nicht aufgefallen. Und nach dem ganzen Theater in der Pause ist Tam mit Andy vor die Tür gegangen, um mit ihm zu reden. Dann haben wir das zweite Set gespielt – ein bisschen professioneller, darf ich wohl sagen –, und danach hat Andy George und mir geholfen, die Sachen in den Bus zu laden, und Tam hat Andy nach Hause gefahren.«
    »Und der weißhaarige Mann – haben Sie den an dem Abend noch mal gesehen?«
    »Ich glaube nicht. Ich habe mir im zweiten Set alle Mühe gegeben, mich zu rehabilitieren und Andy ein bisschen zu unterstützen, weil ich gemerkt habe, wie seine Hand angeschwollen ist.«
    »Was ist mit dem ungepflegten Typ?«
    »Nein.« Nick runzelte die Stirn. »Nein, ich glaube nicht. Aber er war auch nicht unbedingt einer, der auffällt – obwohl ich schätze, dass er eine ziemlich dicke Nase gehabt haben muss«, fügte er grinsend hinzu. »Unser Andy. Das muss man sich mal vorstellen.«
    Männer, dachte Melody. Nichts ließ sie in der Achtung ihrer Geschlechtsgenossen so steigen wie die Fähigkeit, einem anderen eine blutige Nase zu verpassen. Dann wurde ihr schlagartig klar, was Nicks Aussage bedeutete. Es war so eng hier, dass sie ihren Wollmantel anbehalten hatte, und sie hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
    »Also, vielen Dank noch mal, Nick«, sagte sie und stand auf. »Sie waren eine große Hilfe.«
    Er sah sie überrascht an. »War ich das?«
    »Auf jeden Fall. Aber ich muss jetzt los. Ich melde mich, falls mir noch etwas einfällt.«
    Nick stand auf, stieß mit dem Bein gegen den Tisch und fing im letzten Moment den Bücherstapel auf, der umzufallen drohte. »Vielleicht kann ich Ihnen das

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