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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Personalien der Gäste aufgenommen und sie dann gehen lassen. Es waren zumeist Vertreter, und dazu ein paar glücklose Touristen. Aber keiner hatte ein Zimmer im Souterrain. Anscheinend hat ›Mr Smith‹ immer ausdrücklich nach diesem Zimmer verlangt, wenn er hier abstieg. Deswegen ist die Putzfrau auch davon ausgegangen, dass es schon am frühen Morgen leer sein würde, weil er nie die ganze Nacht blieb.«
    »Hat er sich dieses Zimmer wegen des Notausgangs geben lassen?«, dachte Gemma laut nach. »Und wenn ja, wusste er, dass der Riegel defekt war, oder ließ er die Frauen einfach draußen warten, bis er die Tür von innen öffnen und sie hereinlassen konnte?«
    Shara deutete mit dem Kopf auf die im Foyer versammelten Angestellten. »Von denen da will keiner zugeben, dass mit der Hintertür etwas nicht in Ordnung war.« Raymond, der junge Portier mit dem pickligen Gesicht, saß über sein Handy gebeugt da und simste, als ginge es um sein Leben. Ms Dusek, die Nachtmanagerin, kaute an einem Nagelhäutchen herum, während sie die Polizistinnen angespannt beobachtete. Die Servicekraft, die immer noch ihren Kittel trug, starrte mit ausdrucksloser Miene ins Leere. »Es hat ihnen allen plötzlich die Sprache verschlagen«, fügte Shara mit Empörung in der Stimme hinzu. »Es gibt noch eine Art Hausmeister, aber der hat heute wohl seinen freien Tag. Sehr praktisch für ihn. Ich habe diesen Grünschnabel – Constable Gleason – auf ihn angesetzt, aber ich fürchte, er ist schon vorgewarnt.«
    »Sie sehen zu viele Verschwörungstheorien im Fernsehen«, meinte Gemma und bekam ein mattes Lächeln als Reaktion. Sie wollte gerade sagen: »Gute Arbeit, Shara«, überlegte es sich aber im letzten Moment anders, da sie wusste, dass ihre Mitarbeiterin das als herablassend empfinden würde. Stattdessen dachte sie einen Moment nach und sagte dann: »Lassen Sie uns doch einmal überprüfen, welche anderen Gäste in letzter Zeit in einem der Souterrainzimmer übernachtet haben. Vorausgesetzt, sie haben alle ihre richtigen Namen und Adressen angegeben. Es müsste doch jemand darunter sein, der kein persönliches Interesse daran hat, wegen der Tür zu lügen. Und lassen Sie auch gleich die Zimmer untersuchen.«
    »Glauben Sie wirklich, dass das einen Unterschied macht, Chefin?«, fragte Shara mit einem abschätzigen Blick auf das Gästebuch.
    »Ich denke, wir sollten nicht einfach davon ausgehen, dass Arnotts Mörder das Hotel zusammen mit ihm betreten hat.«
    »Was?« Shara sah Gemma an, als ob sie an ihrem Verstand zweifelte. »Sie meinen, irgendein hergelaufener Irrer könnte durch den Notausgang hereinspaziert sein und Arnott gefesselt und erdrosselt haben? Und Arnott hat wohl gesagt: ›Bitte, nur zu!‹, oder wie?«
    Gemma zuckte mit den Achseln. »Es ist denkbar. Zu diesem Zeitpunkt ist alles denkbar.« Als Gemma sah, dass Ms Dusek die Ohren spitzte und der picklige Portier von seinem Handy aufblickte, drehte sie sich von ihnen weg und senkte die Stimme. »Nehmen wir an, Arnott hat eine Frau hierhergebracht. Und nehmen wir an, dass diese Frau einen eifersüchtigen Ehemann hatte, der ihnen gefolgt ist. Der Ehemann – oder Freund – könnte gewartet haben, bis die Frau gegangen war, und dann Arnott überrascht haben. Vielleicht hat er ihn mit einem Messer oder einer Pistole bedroht. Vielleicht hat er ihm eins über den Schädel gezogen, und die Wunde war auf den ersten Blick nicht zu sehen. Also bitte: erst die Fakten, dann die Theorien.«
    »Wär ich nie drauf gekommen«, murmelte Shara und wandte sich mit finsterer Miene wieder dem Gästebuch zu.
    Gemma verkniff sich eine Erwiderung. Sie wusste aus Erfahrung, dass sie mit einem Tadel nichts erreichen würde: Shara würde sich nur in die Schmollecke zurückziehen, aber nicht von ihrer Meinung abrücken. Und genau das war es, was wahrscheinlich verhindern würde, dass aus Shara MacNicols je eine gute Ermittlerin wurde – ganz gleich, wie sehr sie sich bemühte und wie ehrgeizig sie ihre Karriere verfolgte. Shara wollte alles immer schön schwarzweiß haben, und sie wurde pampig, wenn man sie dazu aufforderte, über den Tellerrand des Offensichtlichen hinauszublicken, weil sie das für reine Zeitverschwendung hielt.
    »Tun Sie es einfach«, sagte Gemma seufzend. »Lassen Sie die anderen Zimmer im Souterrain durchsuchen, nur für den Fall, dass der Täter die Situation ausgenutzt hat. Es könnte ja sein, dass er – oder sie«, ergänzte sie, ehe Shara sie korrigieren konnte,

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