Wer Blut vergießt
wäre.«
»Ich habe kurz in den Computer in seinem Arbeitszimmer geschaut«, sagte Daeley, »aber es ist alles passwortgeschützt. Die Kriminaltechniker kommen demnächst vorbei, um den Rechner ins Labor mitzunehmen.«
Gemma ging mit ihrer Tasse zur Spüle, um sie auszuwaschen. »Danke für den Kaffee, Marie. Die Stärkung hatten wir dringend nötig. Gibt es sonst noch etwas, was wir beachten sollten?«
Daeley lachte kurz auf. »Nein, es sei denn die Tatsache, dass die Kleider in den Schränken für sie und für ihn farblich gekennzeichnet sind. Ach ja, und im ganzen Haus gibt es keinerlei Medikamente, nicht mal Aspirin oder Paracetamol. Ich vermute, dass er sich nicht sicher sein konnte, was seine Frau alles schlucken würde, wenn er nicht zu Hause war.«
»Also schön«, sagte Gemma. »Dann sollten wir uns auch mal ein wenig umsehen, nur für alle Fälle. Melody – oben oder unten?«
»Ich bleibe lieber unten, danke.« Die Vorstellung, die Schlafzimmer des Paares durchwühlen zu müssen, behagte Melody gar nicht. Hausdurchsuchungen waren ihr immer schon unangenehm gewesen. Sie hatte gelernt, ihre eigene Privatsphäre mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, und entsprechend war es ihr zuwider, in die anderer Leute einzudringen – und umso mehr angesichts der Verhältnisse in dieser Ehe.
Sie trank ihren Kaffee aus, und während Gemma die Treppe hinaufging, ließ Melody Marie in der Küche zurück und arbeitete sich systematisch durch die Zimmer im Erdgeschoss.
Der Salon und das Esszimmer waren picobello sauber und unendlich öde. Möbel und Vorhänge, das Porzellan und das Kristall im Esszimmerschrank, alles war von erlesener Qualität und, wie Melody fand, einzig und allein ausgesucht, um Eindruck zu schinden, ohne jede Spur von Fantasie oder Stilgefühl. Da war Dougs preiswertes kleines Häuschen in Putney doch allemal wohnlicher und –
»Mist«, stieß sie laut hervor, als es sie jäh aus ihren Überlegungen riss. Sie sah auf ihre Uhr. Doug – sie hätte ihn anrufen sollen. Nun ja, sie würde sich eine Minute nehmen, wenn sie hier fertig waren, und ihm wenigstens Bescheid sagen, dass es morgen für ihre Heimwerker-Pläne auch nicht sehr vielversprechend aussah.
Sie ging weiter zum hinteren Teil des Hauses, in ein weniger förmliches Wohnzimmer mit Sesseln, die wenigstens einigermaßen bequem aussahen, und einem Großbildfernseher. Auf einem Beistelltisch lag eine Liste von Programmen, maschinengeschrieben und laminiert, und in einem Zeitungsständer steckten verschiedene aktuelle Ausgaben von Frauenmagazinen, die alle ungelesen aussahen.
Es gab noch einen weiteren Raum, gegenüber dem Fernsehzimmer, und als sie einen Blick hineinwarf, sah sie, dass es sich um Arnotts Arbeitszimmer handeln musste. Da stand der Computer, den Marie erwähnt hatte, ein neues Modell, das mitten auf einem schweren Mahagonischreibtisch thronte. In Vitrinen standen juristische Lehrbücher und ein paar angestaubte Agententhriller.
Und auch hier stand ein Fernseher, nicht so groß wie der im Wohnzimmer, aber neu und teuer, auf seinem eigenen Multimediaschrank mit DVD - und Blu-ray-Player. Es waren jedoch keine DVD s zu sehen, weshalb Melody in einer der Schubladen des Fernsehschranks nachschaute. Sie enthielt eine kleine Sammlung von Actionthrillern im gleichen Stil wie die Romane im Bücherregal. Die nächste Schublade war verschlossen. Sie ruckelte frustriert daran herum und ging dann zum Schreibtisch, um dort systematisch in den Schubladen zu suchen.
Der kleine Schlüssel lag ganz hinten im mittleren Fach, hinter den Büroklammern und Gummis. Sie ging damit zum Fernsehschrank und öffnete die verschlossene Schublade mühelos mit einem leisen Klicken.
Melody starrte auf die DVD s hinunter, die mit dem Rücken nach oben fein säuberlich aufgereiht waren. Sie streckte schon die Hand aus, um eine herauszuziehen, verzog dann aber das Gesicht und wich zurück.
Stattdessen ging sie zur Tür und rief: »Chefin, komm mal her. Das musst du dir anschauen.«
Sie schloss die Ladentür von innen ab und schaltete das Licht aus. Obwohl die Straßenlaternen schon seit einer halben Stunde brannten, war noch nicht offiziell Ladenschluss, und sie sah einige Passanten neugierig durch die Scheibe spähen.
Irgendwie hatte sie den Tag hinter sich gebracht, hatte Kunden bedient, bis ihr Gesicht von all dem künstlichen Lächeln ganz steif war. Sie hatte es sogar fertiggebracht, mit ein paar Stammkundinnen Smalltalk zu machen, mit jungen
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