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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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einem Ständer ab und ging zum Flügel, den er als Unterlage benutzte, um etwas auf die Rückseite der Karte zu schreiben. Dann ging er zu Melody zurück und überreichte sie ihr mit einer schwungvollen Geste.
    »Name, Adresse, Handynummer«, sagte er, und es lag etwas Herausforderndes in seinem Blick, als er ihr die Karte in die Hand drückte.
    Sie gab Tam ihre eigene Karte. Als sie Monahan ebenfalls eine überreichte, berührten seine Finger kurz ihre, doch sie redete sich ein, dass es reiner Zufall war. »Danke. Sie lassen mich bitte wissen, wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt«, fügte sie im Ton einer Feststellung hinzu. »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.«
    Sie machte kehrt. Als sie zur Tür ging, hallte das Klackern ihrer Absätze laut in ihren Ohren, und sie spürte die vier Augenpaare deutlich im Rücken.
    Als sie auf die Plattform hinaustrat, sog sie die kalte Luft tief in ihre Lunge und stieg dann vorsichtig die Treppe hinunter. Auf halbem Weg blieb sie stehen und lauschte. Sie hatte gehofft, dass die Musik wieder einsetzen würde, doch von oben war kein Laut zu hören.

6
    Regional wird der Name oft als Alternative zu Upper Norwood oder dem Postbezirk SE19 verwendet. Wenn Sie einen Londoner Taxifahrer bitten, Sie nach Crystal Palace zu fahren, wird er in der Regel annehmen, dass er sie zum Ende der Crystal Palace Parade am höchsten Punkt von Anerley Hill bringen soll, wo es früher einen Kreisverkehr gab. Hier stand einst eine berühmte Eiche, die Vicar’s Oak .
    www.crystalpalace.co.uk
    »Der Crystal Palace war echt riesig.« Andy breitete zur Demonstration die Arme weit aus, und Nadine, die am anderen Ende der Stufe saß, duckte sich lachend weg.
    »Ich glaub’s dir ja«, sagte sie. »Ehrlich, ich glaub’s dir. Pass nur auf die Gitarre auf«, ermahnte sie ihn. »Irgendwann wirst du vielleicht mal richtig gut darauf spielen.«
    Andy errötete und rückte die Höfner auf seinen Knien zurecht. Es war das erste Mal, dass irgendjemand ihn auch nur ein klein wenig ermutigt hatte, und ein Kompliment von Nadine bedeutete ihm mehr als alles andere. Er übte jeden Tag, und neuerdings setzte er sich zum Spielen immer auf die Treppe, wenn er wusste, dass Nadine bald nach Hause kommen würde. Ein durchsichtiger Vorwand, um seinen Beobachtungsposten einnehmen zu können, doch sie schien nichts dagegen zu haben, dass er dort saß.
    Zwischen ihnen hatte sich eine unausgesprochene Routine entwickelt. Nachdem Nadine ihren klapprigen VW geparkt hatte, trug sie ihre Handtasche und ihre Sachen von der Arbeit in die Wohnung, ehe sie mit Limo oder Cola für sie beide wieder herauskam. Manchmal tauschte sie ihr Kleid gegen Shorts und band sich die Haare zum Pferdeschwanz. Dann sah sie sogar noch jünger aus.
    Andy hatte in einem Secondhandladen am Westow Hill einen alten Gurt für die Höfner gefunden. Zwar hatte er den Verdacht, dass es ziemlich albern aussah, wenn er ihn im Sitzen umlegte, tat es aber gleichwohl. So kam er sich mehr wie ein richtiger Gitarrist vor. Während er und Nadine ihre Limonade tranken, spielte er kleine Passagen für sie. Neue Akkorde, das eine oder andere Riff. Nie einen kompletten Song – das wäre total uncool gewesen.
    Sie hörte zu, und dann redeten sie. So erfuhr er, dass sie sich für Geschichte interessierte und dass sie nicht viel über Crystal Palace wusste.
    »Haben sie ihn nicht einfach im Hyde Park abgerissen und hier auf dem Sydenham Hill wieder aufgebaut?«, fragte sie jetzt.
    »Nein, passen Sie auf«, korrigierte er sie und zog ein sorgfältig zusammengelegtes Bündel Papiere aus der Gesäßtasche seiner Jeans. In der Bücherei hatte er einige der alten Schwarzweißfotos aus den Nachschlagewerken kopiert. Er strich sie glatt und reichte sie Nadine, die sie nahm und aufmerksam studierte. Das gehörte zu den Dingen, die er an ihr mochte. Sie hörte zu, und sie sah sich Sachen an, und zwar richtig – anstatt nur einen kurzen Blick darauf zu werfen und zu sagen: »Oh, das ist aber schön, mein Junge«, wie die meisten Erwachsenen. Oder seine Mutter.
    Nicht, dass er sie je mit seiner Mutter verglichen hätte. Seine Mum war fünfunddreißig, und er konnte sich nicht vorstellen, dass Nadine auch nur annähernd so alt war, auch wenn er wusste, dass sie verheiratet gewesen war. Aber als er einmal all seinen Mut zusammengenommen und sie gefragt hatte, da hatte sie nur gelacht und gesagt, er solle nicht so vorwitzig sein.
    Er zeigte auf das oberste Foto und sagte: »Er

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