Wer Blut vergießt
»etwas zurückgelassen hat.«
Nachdem sie Shara noch gesagt hatte, dass sie das Untergeschoss versiegeln und den Rest des Hotels wieder für den normalen Betrieb freigeben könne, sobald die Spurensicherung abgeschlossen und die Souterrainzimmer durchsucht wären, machte Gemma sich wieder auf den Weg, um sich im Haus der Arnotts mit Melody zu treffen.
Doch als sie auf das White Stag zuging, sah sie Melody mit dem Handy am Ohr vor dem Lokal stehen.
Als Gemma bei ihr ankam, beendete Melody das Gespräch und sagte: »Chefin, ich habe die Aufnahmen sämtlicher Überwachungskameras im Umkreis angefordert. Allerdings habe ich gerade noch mal mit Reg, dem Barkeeper, gesprochen« – sie deutete in Richtung Pub –, »und er sagt, dass in ganz Crystal Palace letzte Nacht dichter Nebel geherrscht hat; ich bin mir also nicht sicher, wie viel es bringen wird.«
»Einen Versuch ist es wert. Hast du bei deinem Gitarristen etwas erreicht?«
»Er ist nicht mein Gitarrist.« Melody warf Gemma einen seltsamen Blick zu. »Aber ich habe mit ihm gesprochen. Er sagt, er habe Arnott nicht gekannt. Arnott hatte ihn zurechtgewiesen, weil er sich mit einem betrunkenen Gast geprügelt hatte. Er sagt, danach habe er noch mit der Band das zweite Set gespielt und sei dann von seinem Manager nach Hause gebracht worden.«
»Hast du dich bei dem Manager erkundigt, ob das stimmt?«, fragte Gemma.
»Ja, und zwar persönlich. Er war nämlich auch im Studio. Merkwürdiger kleiner Kerl. Er bestätigt die Aussage von Andy – dem Gitarristen. Keiner der beiden erinnert sich, Arnott nach dem Vorfall noch gesehen zu haben.«
»Also eine Sackgasse?«, fragte Gemma.
»Vielleicht.« Melody runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Die Sache ist nur die – ich könnte schwören, dass der Gitarrist nicht die ganze Wahrheit gesagt hat. Ich bin mir nur nicht sicher, was er uns verschweigt.«
Doug Cullen stand am Themseufer und starrte auf die grauen Fluten, die unter der Putney Bridge hindurchströmten. Nicht einmal die zähesten Ruderer ließen sich heute auf dem Wasser sehen, und er konnte es ihnen nicht verdenken. Es war allein seine innere Unruhe, die ihn bei diesem Wetter vor die Tür getrieben hatte.
Er und Melody hatten schon vor Wochen den Plan gefasst, an diesem Samstag sein Esszimmer und sein Wohnzimmer zu streichen, und jetzt war er enttäuscht, weil sie nicht kommen konnte. Nicht, dass er es nicht verstanden hätte – Dienst war Dienst, und eine Mordermittlung ging immer vor.
Aber dennoch – in den letzten Monaten war so gut wie nichts so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Zwar hatte er nicht erwartet, dass ihm die Arbeit in Superintendent Slaters Team während Duncans Erziehungsurlaub Spaß machen würde, aber er hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, dass sie ihm die Datenerfassung aufs Auge drücken würden. Es war verdammt noch mal ein Mordermittlungsteam, und er war Detective Sergeant, ein erfahrener Kriminalbeamter. Er hatte sich beschwert, doch Slater hatte nur erwidert, er leiste doch »einen wertvollen Beitrag« – mit einem süffisanten Grinsen, das deutlich machte, dass sein neuer Boss diese Aufgabe sehr wohl als bewusste Erniedrigung betrachtete.
Niemand im Team hatte ihn willkommen geheißen, und im Yard nahm er neuerdings eine ungute Atmosphäre wahr – ihm war, als ob die Kollegen hinter seinem Rücken tuschelten. Er hätte sich sagen können, dass er sich das alles nur einbildete, wäre ihm nicht zudem aufgefallen, dass er Chief Superintendent Childs, der sowohl Duncans als auch Superintendent Slaters direkter Vorgesetzter war, kaum noch zu Gesicht bekam. Zwar war Childs nie der Typ gewesen, der sich mit seinen Untergebenen verbrüderte, aber man hatte immer gewusst, dass er da war, wenn man ihn brauchte, und jetzt schien sich seine füllige Präsenz irgendwie verflüchtigt zu haben.
Inzwischen waren Dougs Finger und Zehen von der Kälte ganz taub. Als er zum Himmel aufblickte, wurde ihm klar, dass das bleiche winterliche Tageslicht ihm nur noch für ein paar Stunden erhalten bleiben würde. Wenn er unter idealen Bedingungen streichen wollte, sollte er allmählich in die Gänge kommen. Melodys Hilfe brauchte er nicht, sagte er sich entschlossen – selbst ist der Mann, das wäre doch gelacht.
Strammen Schrittes ging er die kurze Strecke zu seinem Haus zurück und legte letzte Hand an die Vorbereitungen. Er hatte bereits die wenigen Möbelstücke, die er mit Melodys Hilfe fürs Wohnzimmer
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