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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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fragte Gemma.
    »Sie ist im Wintergarten.« Amanda führte sie durch einen dunklen, mit Möbeln vollgestellten Flur in ein noch dunkleres und überladeneres Wohnzimmer. Der Raum war so vollgestopft, dass man meinte, er müsse aus allen Nähten platzen, und Gemma und Melody mussten sich irgendwie einen Weg durch die Mitte bahnen. »Sie müssen entschuldigen«, sagte Amanda, ihre Reaktion vorwegnehmend. »Als wir hierher umziehen mussten, konnte Mum sich einfach nicht von den Möbeln aus dem großen Haus trennen. Der Wintergarten ist der einzige Raum, der einigermaßen erträglich ist.«
    Erträglich war genau das richtige Wort, dachte Gemma, als sie den verglasten Raum an der Rückseite des Hauses betraten. Ein paar Rattanmöbel mit geblümten Kissen im Stil der Neunzigerjahre, ein Teppich, ein Fernseher, und der Blick hinaus auf einen Garten, der ebenso vernachlässigt aussah wie der an der Straße. Kathy Arnott würde wenigstens für eine Weile noch den Trost ihres Gartens haben. Hier gab es nichts dergleichen.
    Schwaches Sonnenlicht brach durch die Wolken, ließ den Staub im Zimmer glitzern und fiel auf die Frau, die in einem der Rattansessel saß. Shaun Francis’ Mutter war untersetzt und dunkelhaarig wie ihre Kinder. Gemma konnte sich vorstellen, dass sie einst recht hübsch gewesen war. Jetzt war ihr Gesicht eine leere Maske der Trauer.
    Amanda kniete sich neben sie. »Mummy, die Damen sind von der Polizei. Sie sind hier, um mit dir über Shaun zu reden.«
    Mrs Francis blickte zu ihnen auf, und in ihren dunklen, leeren Augen flackerte plötzlich Hoffnung auf. »Es war ein Irrtum. Sie sind gekommen, um mir zu sagen, dass es ein Irrtum war.«
    »Nein, Mrs Francis, dem ist leider nicht so.« Gemma setzte sich auf die Kante des geblümten Sofas. »Ich möchte Ihnen unser herzliches Beileid aussprechen. Aber wir müssen Ihnen einige Fragen zu Shaun stellen. Ihre Tochter hat die – hat ihn identifiziert.«
    »Glauben Sie ja nichts von dem, was das Mädchen erzählt.« Der Blick, den die Frau Amanda zuwarf, war bitterböse.
    »Mummy, bitte.« Die hektischen Flecken in Amandas Gesicht verfärbten sich tiefrot. »Sag nicht solche Sachen.«
    »Ohne meinen Shaun bin ich verloren«, sagte ihre Mutter mit unveränderter Miene.
    »Mummy, Shaun ist einmal im Monat zum Sonntagslunch gekommen. Ich tue alles für dich.«
    »Er hat was aus sich gemacht«, erwiderte Mrs Francis. »Er hatte Dinge zu erledigen. Wichtige Dinge.«
    »Er ist gestern nicht zum Lunch gekommen, weil er Squash gespielt hat. Wie wichtig war das?«
    Gemma sah Melody an, die sich neben sie aufs Sofa gesetzt hatte. Amanda Francis schien einem Nervenzusammenbruch nahe, und Gemma bezweifelte, dass ein handfester Familienkrach ihr helfen würde, etwas Brauchbares aus der Mutter herauszubekommen. »Amanda«, sagte sie, »vielleicht könnten Sie Ihrer Mutter eine Tasse Tee machen.«
    »Den würde sie nicht trinken«, entgegnete Amanda, trotzig wie ein kleines Kind.
    »Dann eben uns. Wir würden gerne eine Tasse nehmen, nicht wahr, Sergeant?« Angesichts der Zustände in diesem Haus war Gemma sich auch nicht sicher, ob sie den Tee trinken würde, aber sie wollte Amanda aus dem Weg haben.
    »Okay.« Amanda nickte widerwillig und ging hinaus.
    Ohne die Tochter, mit der sie sich streiten konnte, schien Mrs Francis jeden Halt zu verlieren. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die ihr in schwarzen Bahnen über die Wangen liefen. Gemma fragte sich, warum sie Mascara auflegte, wenn sie den Tag allein mit dem Fernseher in ihrem Zimmer verbrachte.
    »Was soll ich nur tun?«, schluchzte Mrs Francis, ein verstörendes Echo der Worte ihrer Tochter.
    »Mrs Francis, kannte Ihr Sohn einen Mann namens Vincent Arnott? Einen Anwaltskollegen?«
    »Shaun hatte seine Freunde in der City. Er hätte sie nicht hierherbringen wollen.«
    »Vincent Arnott war Anfang sechzig, Mrs Francis. Es könnte doch sein, dass Sie oder Ihr verstorbener Mann ihn gekannt haben.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Richards Freunde waren keine Anwälte. Er war Investor. Shaun wollte alles wieder hereinholen. Das hat er mir versprochen.«
    »Was hereinholen, Mrs Francis?«
    »Tut mir leid, es ist keine Milch im Haus.« Amanda Francis stand in der Tür. »Inspector, könnten wir einen kleinen Spaziergang machen?«
    Im Hinausgehen flüsterte Gemma Melody zu: »Kannst du jemanden vom Opferschutz kommen lassen?«
    »Wird gemacht. Aber ich sag’s dir, mit denen möchte ich nicht tauschen«, antwortete Melody

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