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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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schlug.«
    »Hat er Sie jemals geschlagen?«
    »Ein paarmal. Als wir Kinder waren.«
    »Amanda.« Gemma blieb vor der Kinder-Boutique stehen und starrte abwesend ein geblümtes Cordkleidchen an, das Charlotte genau gepasst hätte. Dann drehte sie sich zu der Frau neben ihr um. »Ich muss Sie das fragen. Wo waren Sie gestern Abend?«
    »Zu Hause. Bei meiner Mutter.«
    »Und am Freitagabend?«
    Amanda wirkte verdutzt, antwortete dann aber bereitwillig: »Zu Hause. Wo hätte ich sonst sein sollen?«
    Gemma betrachtete Amanda Francis, mit ihrem fleckigen, ungeschminkten Gesicht, ihrer Nicht-Frisur, den Kleidern, die absichtlich unvorteilhaft gewählt schienen, und sie fragte sich, warum diese Frau solche Schutzmechanismen nötig hatte. »Amanda, Sie haben einen guten Job. Warum wohnen Sie noch bei Ihrer Mutter?«
    »Was bleibt mir denn anderes übrig?«
    Melody hatte die halbe Stunde allein mit Mrs Francis hinter sich gebracht, indem sie per SMS einen Opferschutzbeamten angefordert und sich unauffällig im Zimmer umgesehen hatte. Mrs Francis hatte sich in sich selbst zurückgezogen und Melodys Versuche ignoriert, ein Gespräch zu eröffnen oder ihr Fragen zu stellen. Melody hoffte, dass der Opferschutz einen Mann schicken würde – sie schätzte Mrs Francis als eine Frau ein, in deren Welt sich alles um Männer drehte.
    Auf einem Beistelltisch entdeckte sie ein paar verstaubte Golfpokale, die vermutlich dem verstorbenen Mr Francis gehört hatten, sowie einige Fotos. Die neueren zeigten Shaun in Barett und Talar, Shaun mit seiner Anwaltsperücke, wie er für die Kamera Faxen machte, Shaun auf einem Gruppenfoto, das offenbar eine Weihnachtsfeier in seiner Kanzlei zeigte.
    Von Amanda gab es keine Aufnahmen, doch da war ein älteres Familienfoto aus der Zeit, als die Geschwister Teenager waren und ihr Vater noch lebte. Amanda trug eine Zahnspange und schien krampfhaft entschlossen, einen guten Eindruck zu machen. Shaun starrte grimmig in die Kamera, und Melody fragte sich, womit sie ihn wohl bestochen hatten, um ihn ins Fotostudio zu locken.
    Als Gemma mit Amanda zurückkam und sie sich von Mutter und Tochter verabschiedeten, kam es Melody vor, als wäre sie aus dem Gefängnis entlassen worden. Gemma hatte Amanda eingeschärft, nicht über die Einzelheiten des Mordes an Shaun zu sprechen, weder mit ihrer Mutter noch mit irgendjemand sonst. Der Opferschutzbeamte würde sie von den Reportern abschirmen, wenn die Presse das Haus belagerte.
    »Ich habe nicht gewagt, allzu viel herumzuschnüffeln«, erklärte sie Gemma, als sie im Wagen saßen. »Nicht, dass ich Angst gehabt hätte, Mrs F. würde etwas merken, aber ich wusste ja nicht, wann du zurückkommst. Und Amanda Francis hat sich dort bestimmt ihr eigenes … Reich eingerichtet.«
    Gemma gab ihr Gespräch mit Amanda wieder und setzte dann hinzu: »Ich frage mich, ob er seine Schwester missbraucht hat.«
    »Das könnte die hässlichen Untertöne erklären, die man bei ihr heraushört.«
    »Und es wäre ein astreines Motiv.«
    »Ob Mummy ihr ein Alibi geben würde?«, fragte Melody zweifelnd.
    »Wenn Mrs Francis den ganzen Abend vor der Glotze sitzt und Sherry trinkt, könnte Amanda kommen und gehen, ohne dass sie es mitbekommt. Aber das löst nicht das Problem mit Vincent Arnott. Und wenn Rashid recht hat, was den Schal betrifft, dann ist es nicht nur die gleiche Methode, dann haben wir konkrete Sachbeweise, die beide Fälle miteinander verbinden.«
    Als sie wieder am Cleaver Square ankamen, war der Transporter der Spurensicherung verschwunden, und die frühe Winterabenddämmerung brach bereits herein.
    »Ich rede noch mal kurz mit Maura, bevor wir nach Brixton zurückfahren«, sagte Gemma, während sie sich abschnallte.
    »Ich komme gleich …« Melody brach ab, als sie das SMS -Signal ihres Handys hörte. Sie nahm an, dass es eine Antwort auf ihre Anforderung eines Opferschutzbeamten für Mrs Francis sei, doch dann las sie: KANNST DU ZU MIR KOMMEN ? MUSS DIR WAS ECHT COOLES ZEIGEN . A x.
    Ihr Herz pumperte. Er wollte sie also wiedersehen. Sie wusste nicht, ob sie sich freuen oder in Panik geraten sollte.
    Zu Gemma sagte sie: »Ich – Ich will noch etwas überprüfen. Dauert nicht lange. Wir sehen uns auf dem Revier.«
    Gemma sah sie neugierig an, doch dann nickte sie und sagte: »Gut, also bis nachher«, ehe sie die Tür zuschlug und zum Abschied winkte.
    Melody wusste nicht, welche Ausrede sie sich aus den Fingern saugen sollte, außer vielleicht, dass die Oxford Street

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