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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Es war seine linke, unverletzte Hand, aber sie bemerkte einen verheilenden Schnitt quer über dem Daumenballen. »Ich komme mir vor, als wäre ich von einer Monsterwelle erfasst worden, ohne zu wissen, wo sie mich wieder absetzen wird«, sagte er gedehnt. »Das war immer mein Traum, weißt du, aber ich glaube, ich hatte ihn schon längst aufgegeben. Ich spiele seit über zehn Jahren professionell, und so lange warte ich schon auf den großen Durchbruch als Rockstar. Ich hatte mich wohl schon damit abgefunden, mein Leben mit schlechten Bands und Sessionarbeit zu verbringen. Mit den Sessions konnte ich mich wenigstens einigermaßen über Wasser halten und musste nicht in irgendeiner blöden Reinigung jobben. Aber das hier – jetzt – Ich weiß nicht, ob ich darauf vorbereitet bin.«
    »Andy …«
    Er drückte ihre Hand. »Und ich bin ein Esel, dass ich dir hier so mein Herz ausschütte, aber ich konnte es Nick oder George nicht erzählen, und ich dachte mir, du würdest mich verstehen. Ich hab dich noch gar nicht gefragt, wie dein Tag war, oder ob ich dich bei etwas furchtbar Wichtigem gestört habe.«
    »Wir hatten schon wieder einen Mord. Wie der in Crystal Palace, nur diesmal in Kennington. Ein Rechtsanwalt wurde in seiner Wohnung tot aufgefunden.«
    »Du meinst, mit dem ganzen kranken Zeugs – den Fesseln und so?«
    Sie hatte ihm am Abend zuvor erzählt, wie Vincent Arnott gefunden worden war.
    »Ja. Ich muss immer daran denken, dass genau zu der Zeit, als wir im Club waren, oder … hier … irgendjemand ihm das angetan hat. Und er war jung, in unserem Alter – das sollte es eigentlich nicht schlimmer machen, tut es aber irgendwie doch. Wenn Arnott irgendeine Frau in dieses schäbige Hotel mitgenommen hat – na ja, das macht ihn nicht direkt mitschuldig …«
    »Aber er hat sich durch sein Verhalten selbst der Gefahr ausgesetzt?«
    Melody nickte. Es war ein komisches Gefühl, so offen zu reden. Natürlich hatte sie schon so manchen Fall mit Gemma oder mit Doug diskutiert, aber sie hatte nie darüber gesprochen, wie es ihr damit ging. »Er wurde in seiner Wohnung ermordet. Wie es aussieht, hatte er nicht die Angewohnheit, Frauen abzuschleppen. Laut Aussage seiner Mutter und seiner Schwester hat er Frauen nicht einmal sonderlich gemocht. Shaun Francis hat nichts weiter getan, als ins Pub zu gehen.«
    Andys Hand, die auf ihrer lag, verharrte plötzlich reglos. »Shaun Francis?«
    »Ja. Er …«
    Sie hatten Seite an Seite auf dem Futon gesessen, ihre Arme und Oberschenkel berührten sich. Jetzt ließ Andy ihre Hand los und zog sich von ihr zurück, als hätte er sich verbrannt. »Ist das vielleicht irgendein schlechter Scherz?« Seine Stimme zitterte.
    »Andy …«
    »Sag mir, dass du mich verscheißern willst.«
    »Warum sollte ich das tun?« Seine Reaktion machte ihr Angst. »Andy, was hast du? Erzähl mir nicht, dass du Shaun Francis gekannt hast?«
    Sein Lachen klang harsch, humorlos. »Es sei denn, es gibt mehr als einen davon. Er war das größte Arschloch, dem ich je begegnet bin. Und ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit ich dreizehn Jahre alt war.«

15
    Ein Kuratorium wurde eingesetzt, und die Leitung wurde Sir Henry Buckland übertragen. Der Crystal Palace soll ihm sehr am Herzen gelegen haben. Bald machte er sich mit seinen Mitarbeitern an die Renovierung des Gebäudes. Nun kamen auch wieder Besucher, und der Palast begann einen bescheidenen Profit abzuwerfen. Buckland restaurierte nicht nur das Gebäude, sondern auch die Anlagen samt den Brunnen und Gärten.
    Betty Carew, www.helium.com
    »Bist du mit ihm zur Schule gegangen?«, fragte Melody.
    Andy schüttelte den Kopf. »Wo denkst du hin? Ich war Stipendiat an einer katholischen Schule. Er ging auf irgendein piekfeines Internat.«
    »Und wie –«
    »In dem Sommer hatte ich gerade angefangen, Gitarre zu lernen, und ich habe immer im Park geübt. Dann fingen er – Shaun – und sein Kumpel an, sich dort rumzutreiben.«
    »Im Crystal Palace Park?«
    »Ja, dabei haben sie gar nicht in Crystal Palace gewohnt. Ich hab nie begriffen, warum sie plötzlich dort aufgekreuzt sind. Oder warum sich Shaun ausgerechnet mich als Opfer für seine Schikanen ausgesucht hat. Heute denke ich, dass es wohl die Gitarre war.« Andys Finger zuckten, als ob seine Hände sich ohne das Instrument leer anfühlten. »Shaun ertrug es nicht, dass ich etwas konnte, was er nicht konnte, und dass es etwas war, was es nicht für Geld gab.« Er sah zu ihr auf, und ein Schatten fiel

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