Wer Böses Tut
Mund?«
»Ja. Es geht darum, was für ein Typ Frau sie war, und es geht auch um ihn. Er identifiziert sich mit dem besessenen Geliebten, dem Opfer der Frau. Vielleicht verbindet er auch Erinnerungen an Watson damit.«
»Sie sagten, dass die beiden Morde ein paar Dinge gemeinsam haben.«
»Oberflächlich betrachtet ja. Da ist die Art, wie die Leichen zur Schau gestellt wurden, worüber wir schon gesprochen haben. Beide Frauen kannten ihren Mörder, von jeder fehlt ein Foto aus ihrer Wohnung, und bei genauerem Hinsehen ähneln sich die Profile der Opfer. Sie waren ungefähr im gleichen Alter, Rachel Tenison war fünfunddreißig, Catherine Watson nur drei Jahre älter, beide waren gebildet, intelligent und erfolgreich in ihrem Beruf. Für diesen Typ Mann sind sie starke, respekteinflößende und einschüchternde Frauen.«
»Ergibt das für dich irgendeinen Sinn, Trevor?«, fragte Tartaglia und sah Clarke an.
Clarke zuckte mit den Achseln. »Vielleicht ist es ein Trittbrettfahrer. Hast du daran schon mal gedacht?«
»Aber warum? Es ist ja nicht so, als hätten wir hier eine Serie.«
»Es gibt noch eine andere Erklärung«, warf Harper ein. »Wenn derselbe Mann für den Mord an Watson und den Mord im Holland Park verantwortlich ist, könnte es sein, dass er gar nicht vorhatte, Rachel Tenison zu töten. Vielleicht war es ein sexuelles Abenteuer, das schiefgegangen ist.«
Clarke schüttelte den Kopf, als wäre auch das keine Erklärung.
»Zurück zu Catherine Watson. Ihr Mörder hat wahrscheinlich ganz normale sexuelle Beziehungen zu Frauen«, fuhr Harper fort. »Und sie haben vermutlich keinen Schimmer von seinen Fantasien, keine Ahnung, wozu er fähig ist.«
»Das kann nicht Ihr Ernst sein«, sagte Clarke und schlug hart mit der Hand auf den Tisch. »Wie, zum Teufel, soll seine Frau oder seine Freundin nicht merken, dass sie mit einem sadistischen Perversling schläft? So was spürt eine Frau doch.« Er warf Harper einen vielsagenden Blick zu.
Harper lachte. »Trevor, wenn ich jedes Mal ein Pfund bekäme, wenn jemand so reagiert wie Sie,wäre ich reich. Viele Menschen behalten ihre sexuellen Vorlieben für sich. Im Extremfall kann ich Ihnen eine ganze Reihe von Fällen nennen, in denen die Partnerin eines gewalttätigen Sexualverbrechers keine Ahnung hatte, was ihn tatsächlich erregte.«
Clarke wischte ihren Einwand vom Tisch. »Ja, ja. Ich glaube Ihnen.«
»Es geht um Fantasien. Mit manchen Frauen kann er sie ausleben und sich gehen lassen, mit anderen wagt oder will er es nicht. Hier handelt es sich um einen Mann, der beide Leben sorgfältig trennt.«
Tartaglia nickte; ihre Worte klangen wie ein seltsames Echo auf das, was Dr. Williams über Rachel Tenison gesagt hatte: An der Oberfläche weist nichts auf das hin, was darunter weggeschlossen ist. Es passte alles zusammen, doch was es bedeutete, war ihm nach wie vor unklar. »Das ist unheimlich«, sagte er. »Es ist, als würden Sie das Opfer im Holland Park beschreiben.«
»Und es ist nicht ungewöhnlich«, fügte Harper hinzu. »Es ist nur eine Frage der Ausprägung. Wie viele Männer mit Fantasien, die sie zu Hause lieber nicht ausleben wollen, könnte unser Mörder zu Prostituierten gehen, um sein Sexualleben unter Kontrolle zu halten.«
»Die Wege des Menschen sind unergründlich, pflegte meine Großmutter immer zu sagen«, erwiderte Clarke, wobei er ihren gedehnten Yorkshire-Akzent nachahmte und nicht recht überzeugt klang.
»Ich dachte, deine gesamte Familie kommt mitten aus London, aus Elephant and Castle?«, sagte Tartaglia.
»Du weißt nicht alles über mich, Mark. Es wird dich freuen, dass es immer noch ein paar Geheimnisse zu entdecken gibt.«
Tartaglia lächelte und wandte sich wieder Harper zu. »Was ich nicht verstehe, ist, warum jemand plötzlich Catherine Watson so etwas antut. Aus heiterem Himmel, anscheinend ohne sichtbaren Druck.«
»Wir wissen nicht, wie lange der Mörder schon mit dem Gedanken spielte, wie lange er darüber nachdachte und plante, etwas in der Art zu tun, vielleicht ohne sich vorstellen zu können, dass er je Gelegenheit dazu bekommen oder es durchziehen würde. Der Auslöser kann etwas ganz Einfaches gewesen sein, vielleicht etwas, das Watson selbst gesagt hat, oder auch irgendetwas in seinem eigenen Leben. Nur ein paar Wochen vor dem Mord an Watson wurde Jennings von seiner Freundin verlassen. Jennings hat es zwar abgestritten, doch Freunde von ihm sagten, er sei ziemlich wütend deswegen gewesen. Außerdem
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