Wer Böses Tut
klingt einleuchtend, aber für mich sehen die beiden Morde immer noch nach zwei völlig unterschiedlichen Verbrechen aus.«
Harper lächelte. »Ich bin nicht anderer Meinung, Trevor. Aber Mark wollte wissen, wie ein und dieselbe Person zu beiden Verbrechen fähig sein könnte. Ich kann nur sagen, aus psychologischer Sicht ist es möglich.«
»Und es ist nicht völlig unplausibel«, ergänzte Tartaglia. Auf einmal fühlte er sich richtig ausgelaugt durch die Diskussion. »Er hat einmal getötet. Es ist eine Erklärung, dass er versucht, den zweiten Mord wie den ersten zu inszenieren. Die Idee zu dem Gedicht hat er aus Catherine Watsons Papieren. Die Tatsache, dass er beschließt, es zu benutzen, zeigt, wie arrogant er ist. Und wenn wir von Arroganz und nach Aufmerksamkeit heischendem Verhalten sprechen, frage ich mich, ob er nicht etwas mit dem Tipp an die Presse zu tun hat.«
»Guter Punkt«, sagte Clarke. »Du solltest dir sofort Jason Mortimer vornehmen.«
Tartaglia spürte das Vibrieren seines Handys in der Brusttasche. Als er Donovans Namen auf dem Display sah, entschuldigte er sich und stand auf.
»Ich bin noch bei Trevor«, sagte er, während er zum Fenster ging.
»Entschuldige, dass ich störe«, sagte sie, »aber ich hatte gerade einen Anruf von Liz Volpe. Sie hat versucht, dich zu erreichen. Anscheinend war sie heute Nachmittag im Holland Park
joggen und hat etwas sehr Merkwürdiges beobachtet.« Er hörte zu, wie sie erklärte, was passiert war. Die Stelle, die sie beschrieb, klang exakt nach der, wo man Rachel Tenisons Leiche gefunden hatte.
»Hast du die Spurensicherung angerufen?«
»Sind schon unterwegs zum Park. Karen holt Liz ab und bringt sie hin, damit sie ihnen zeigen kann, wo sie den Mann gesehen hat.«
»Sag Karen, sie soll ihre Aussage aufnehmen, und versucht anschließend, ein Phantombild zu machen, solange der Eindruck bei Liz noch frisch ist. Wie klang sie?«
»Ziemlich fertig. Sie sagte, sie will dich sehen.«
Er warf einen Blick auf die Uhr. »Wir sind hier fast fertig, dann hatte ich vor, wieder ins Büro zu fahren. Sag ihr, ich komme später irgendwann bei ihr vorbei. Zuerst muss ich mit Simon Turner reden.«
Zweiundzwanzig
Als Tartaglia endlich wieder nach Barnes ins Büro kam, war es beinahe sieben und stockfinster draußen. Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Wind hatte zugenommen, und die Luft war kalt und feucht.
Er stellte das Motorrad in einer geschützten Ecke auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude ab und ging zur Hintertür, dem einzigen funktionierenden Zugang zum Gebäude. Ein übergewichtiger Mann mittleren Alters und eine hübsche junge Frau aus einem der anderen Büros standen eng beieinander in Mänteln vor der Tür, ohne miteinander zu reden, und zogen gierig an ihren Zigaretten. Trotz eines Hinweisschilds und einer Mülltonne neben dem Ausgang lagen überall weggeworfene, aufgeweichte Zigarettenstummel auf dem nassen Boden. Es war eine grauenhafte Vision dessen, was bevorstand, wenn im nächsten Sommer das Rauchverbot in Kraft treten würde. Sosehr sich Tartaglia auch oft nach einer Zigarette sehnte, war es ihm doch gelungen, seinen Konsum auf fünf bis sechs Stück pro Tag herunterzuschrauben, die er für gewöhnlich in Ruhe zu Hause oder bei Freunden, bei einer Tasse Kaffee am Morgen oder einem Glas Wein am Abend genoss. Diese Freiheit konnte einem keiner nehmen. Aber was war so schön daran, nur für eine Zigarette vor Kälte zitternd draußen zu stehen? Man musste schon sehr verzweifelt sein, und das war er noch nicht.
Mit einem mitfühlenden Lächeln in Richtung der Frau, was sie warmherzig erwiderte, gab er den Code ein und ging hinein.
Er wünschte, er hätte die Zeit, stehen zu bleiben, um mit ihr zu schwatzen, und fragte sich, in welcher Etage sie wohl arbeitete und warum er ihr noch nie begegnet war. Als er die erste Treppe halb hinaufgelaufen war, flog im Stockwerk über ihm die Tür auf, und Simon Turner polterte auf den Treppenabsatz. Lautlos pfeifend kam er auf ihn zu, Rucksack und Mantel in der Hand.
»Simon, da bist du ja. Kann ich kurz mit dir reden?«
Turner blieb eine Stufe über ihm stehen. »Was gibt’s? Ich bin spät dran.«
»Weißt du, was mit all den Fotos passiert ist, die Malcolm Broadbent von Catherine Watson gemacht hat?«
»Nein. Warum?«
»Ich frage mich, ob Broadbent zufällig noch jemanden mit der Kamera eingefangen hat, vielleicht jemanden, mit dem sie zusammen war.«
»Das bezweifle ich. Es
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