Wer Böses Tut
nicht wahr, Inspector?«, sagte Patrick Tenison resigniert wie ein Schüler, der vom Lehrer beim Rauchen erwischt wurde.
»Das hier ist eine äußerst ernste Angelegenheit, Mr. Tenison«, erwiderte Tartaglia fest und sah ihm direkt in die Augen.
Tenison seufzte. »Natürlich, und ich habe bereits gesagt, dass es mir leidtut.« Als wäre die Sache damit erledigt.
Tartaglia und Donovan saßen Tenison in dem beengten Vernehmungsraum Nummer acht auf dem Polizeirevier in Belgravia bei laufendem Tonbandgerät gegenüber. Viktor Denisenko hatte sie vor einigen Stunden direkt zu Tenisons Wohnung geführt, und sie hatten Tenison schließlich bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in einem Hotel aufgespürt, wo er einer der Redner war. Er trug immer noch Smoking und Fliege und sah ein wenig müde und ziemlich fertig aus. Noch gab es keinen Grund für eine Verhaftung, doch jetzt wurde er als Person von Interesse behandelt, und er hatte darauf bestanden, seinen Anwalt, Geoffrey Mallinson, hinzuzuziehen. Mallinson saß neben ihm, zerrauft und aufgeblasen wie ein Ochsenfrosch, rotgesichtig und triefäugig nach unterbrochenem Schlaf.
Als Politiker glaubte Tenison vielleicht, über dem Gesetz zu stehen, doch da irrte er sich. Es stimmte, dass die Menschen bei Vernehmungen ständig logen, oftmals aus den dümmsten und harmlosesten Gründen. Eine automatische Reaktion, nicht weil sie etwas zu verbergen hatten, sondern weil eine Lüge manchmal einfacher und weniger zeitraubend war als die Wahrheit:
Ich war nicht da, ich habe nichts gesehen, ich wollte da nicht mit hineingezogen werden. Die Menschen logen bei Mordfällen auch, weil es um mehr ging. Aber wenn jemand wie Tenison wegen eines harmlosen Essens mit seiner Schwester log, hieß das, er hatte etwas zu verbergen. Das jedenfalls sagte Tartaglias Instinkt.
»Ich kann Sie auf jeden Fall wegen Behinderung der Justiz anklagen«, sagte er und musterte Tenisons breites, ungerührtes Gesicht, als könnte es ihm die Wahrheit verraten.
Tenison breitete die Hände aus. »Ich habe gesagt, dass es mir leidtut. Was soll ich noch sagen?«
»Was ich nicht verstehe, Mr. Tenison, ist, warum Sie uns angelogen haben. Warum haben Sie uns nicht von Anfang an gesagt, dass Sie an jenem Donnerstagabend mit Ihrer Schwester beim Essen waren?«
Tenison runzelte die Stirn, als sei das offensichtlich. »Weil es Sie nichts angeht, darum.«
»Falsch. Das ist eine Mordermittlung, Mr. Tenison. Alles geht uns was an.«
Tenison lehnte sich zurück, holte tief Luft und sagte in einem Ton, als müsste er einem kleinen Kind etwas ganz Offensichtliches erklären: »Was ich meine, ist: Rachel wurde am nächsten Morgen umgebracht. Ich hatte nichts damit zu tun.«
»Wir haben nur Ihr Wort dafür, wo Sie zur Tatzeit waren. Sie haben kein Alibi, und Sie haben uns schon einmal angelogen. Das stellt alles in Frage, was Sie uns bisher erzählt haben.« Tartaglia sprach langsam und betont. Jeder Satz hatte Gewicht.
Unter dem kalten Licht der Neonröhre sah Tenison jetzt sichtlich schockiert aus, als wäre ihm nicht klar gewesen, wie sein Verhalten interpretiert werden könnte. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, und die wenigen Falten in seinem Gesicht schienen tiefer geworden zu sein. Vielleicht forderten die
Ereignisse ihren Tribut, vielleicht lag es auch an seiner förmlichen Kleidung - aber er sah älter aus und viel erschöpfter als bei Tartaglias Besuch in seiner Wohnung.
»Gut. Sprechen wir darüber, was an jenem Abend passiert ist.«
Resigniert strich sich Tenison mit der Handfläche über sein glattes, schwarzes Haar und sah Tartaglia müde an. »Wir haben in Rachels Wohnung etwas getrunken und sind dann zum Essen gegangen.«
»Nur für das Protokoll«, fragte Donovan. »Was haben Sie in der Wohnung getrunken?«
Tenison warf ihr einen Blick zu, als hätte er gerade erst bemerkt, dass sie da war. »Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern, Sergeant. Warum? Ist es wichtig?«
»In ihrer Wohnung wurden eine Reihe von Gläsern von diesem Abend gefunden«, antwortete sie. »Es wäre hilfreich, wenn Sie uns sagen könnten, welches das Ihre war.«
»Nun, ich hatte wahrscheinlich ein Glas Wein. Weiß, wenn ich mich korrekt erinnere. Ich versuche , Ihnen zu helfen, wissen Sie.«
Tartaglia nickte. »Bitte fahren Sie fort, Mr. Tenison.«
»Also, wir haben etwas getrunken und sind dann mit dem Taxi zum Restaurant gefahren, weil wir spät dran waren. Wir waren ungefähr eine Stunde in dem Restaurant.
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