Wer Böses Tut
gefährlich ist, aber das war ihr egal.« Er sah auf, seine braunen Augen blickten Tartaglia forschend an. »Was ist passiert?«
»Es tut mir leid, aber im Augenblick kann ich Ihnen noch nichts Genaues sagen.«
»Aber Sie müssen mir doch irgendwas sagen können.« Tenison sah ihn immer noch an. »Wurde sie … Wurde sie überfallen? Vergewaltigt?«
»Ich kann Ihnen wirklich nicht mehr sagen«, erwiderte Tartaglia bestimmt. Tenisons Wunsch, mehr zu erfahren, war nur
zu natürlich, aber je weniger er oder irgendjemand anders, der Rachel Tenison nahestand, wusste, umso besser. Alle in ihrem unmittelbaren Umfeld, Familie und Freunde, waren so lange verdächtig, bis ihre Alibis bestätigt wurden.
»Verstehe«, sagte Tenison stirnrunzelnd, als gefielen ihm diese Unklarheiten gar nicht. »Haben Sie irgendeine Idee, wer es getan hat?«
»Das kann man überhaupt noch nicht sagen, Mr. Tenison. Es ist mit ein Grund, warum ich hier bin. Stimmt es, dass Sie Miss Tenisons nächster Verwandter sind?«
Tenison deutete ein Nicken an. »Ich bin eigentlich ihr Stiefbruder. Mein Vater heiratete ihre Mutter, als Rachel drei war, und Rachel hat unseren Nachnamen bekommen.«
»Leben ihre Eltern noch?«
Er schüttelte den Kopf. »Sie kamen beide bei einem Autounfall ums Leben, als Rachel zwölf war. Ich habe damals bei meiner Mutter gelebt. Sie bot Rachel an, zu uns zu ziehen, da sie sonst niemanden hatte.« Tenison sprach leidenschaftslos, als wäre er ein Beobachter, aber jeder verarbeitete einen Schock anders. Tartaglia hatte den Eindruck, dass seine distanzierte Art einfach ein Mechanismus war, um die Kontrolle nicht zu verlieren.
»Niemanden? Was ist mit Rachels leiblichem Vater?«
»Sie hat ihn nicht gekannt. Er verließ Rachels Mutter kurz nach Rachels Geburt, und dann haben sie nie wieder etwas von ihm gehört. Er hat sich nie gemeldet. Vielleicht ist er tot.«
Tartaglia, der aus einer großen, eng miteinander verbundenen Familie stammte, die ihn unter ähnlichen Umständen mit offenen Armen aufgenommen hätte, war bewegt bei dem Gedanken an das zwölfjährige Mädchen, das ganz allein auf der Welt war und niemanden hatte außer einem Stiefbruder und dessen Mutter. Wieder dachte er daran, wie er Rachel Tenison gefunden
hatte, so fragil und gebrochen, und ein Anflug von tiefer Trauer überkam ihn plötzlich, und der irrationale Wusch, sie zu beschützen, selbst im Tod.
»Wir werden Sie bitten müssen, sie zu identifizieren«, sagte er, den Blick unverwandt auf Tenisons bleiernes Gesicht gerichtet.
Tenison nickte. »Ich werde alles tun, um Ihnen zu helfen.«
»Fällt Ihnen irgendjemand ein, der einen Grund gehabt haben könnte, Ihre Schwester zu töten, Mr. Tenison?«
Tenison schloss einen Moment lang die Augen, dann schüttelte er schniefend den Kopf. »Rachel war eine ganz besondere, sehr begabte Frau«, sagte er plötzlich gefühlvoll. »Sie hatte keine Feinde. Jeder, der sie kannte, liebte sie.«
»Was ist mit ihren Freundinnen und Freunden? Gibt es jemanden, dem sie besonders nahestand?«
»Sie sollten mit Liz Volpe sprechen. Sie hat Rachel am längsten gekannt. Sie sind auf dieselbe Schule gegangen, seit Rachel bei uns lebte.«
»Noch jemand?«
Tenison seufzte. »Die meisten von Rachels Freundinnen sind verheiratet und haben Kinder. Ihr Leben ist in eine andere Richtung verlaufen, und einige sind aus London weggezogen. Rachel war von einigen Kindern die Patentante, aber ich glaube, sie hat sie nicht besonders häufig gesehen.«
»Wen hat sie denn gesehen? Sie ist doch nicht die ganze Zeit zu Hause geblieben.«
»Rachel hat ihre Energie hauptsächlich in ihre Arbeit gesteckt, Inspector. Wenn Sie so wollen, war ihre Arbeit für sie wie eine Ehe oder ein Kinderersatz. Das ließ ihr nicht viel Zeit für andere Dinge.«
»Sie war erfolgreich?«
»Sehr.«
»Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich das frage, aber nach allem, was ich gesehen habe, scheint Miss Tenison sehr wohlhabend gewesen zu sein.«
»Sie hat etwas Geld und Besitz von ihrer Mutter geerbt, das sie alles in ihr Geschäft gesteckt hat. Sie hat unglaublich hart gearbeitet, und das Geschäft ist gut gelaufen. Ihre Galerie ist inzwischen eine der ersten Adressen für alte Gemälde in London.«
»Wissen Sie, wie ihr Anwalt heißt?«
Tenison schien verwirrt. »Glauben Sie, jemand hat es wegen des Geldes getan?«
»Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch gar nichts. Sie kennen das Klischee - wir müssen in jeden Winkel schauen.«
Tenison
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