Wer Böses Tut
Gedanken bei seinem eigenen Liebesleben oder dem Fehlen desselben, nickte Tartaglia. Er würde sich wohl kaum bei Nicoletta ausheulen; im Gegenteil. Obwohl Frauen im Allgemeinen von Natur aus vertrauensseliger waren.
Noch einmal fragte er Tenison: »Und Sie sind sich sicher, dass die Beziehung mit Richard Greville zu Ende war?«
»Absolut sicher«, sagte Tenison, kehrte zum Sofa zurück und ließ sich wieder schwer hineinfallen. »Ich kenne Rachel. Sie wäre niemals zu Richard zurückgekehrt, selbst wenn er sie auf Knien angefleht und ihr den Himmel auf Erden versprochen hätte.«
Tartaglia war überrascht und erstaunt über Tenisons bestimmten Tonfall und diesen intensiven Blick. »Vielleicht hat sie es Ihnen nicht erzählt.«
Tenison schüttelte entschieden den Kopf. »Ich kenne meine Schwester besser als jeder andere, Inspector. Bei Rachel gab es kein Zurück.«
Es war weit nach Mitternacht, als Tartaglia endlich zu Hause in Shepherd’s Bush ankam. Bis auf eine gelbe Katze, die über die Straße huschte, war alles ruhig, alle Fenster waren geschlossen, jeder war schon vor Stunden zu Bett gegangen. Er stellte den Motor ab, schob die Ducati über den vereisten Bürgersteig in den Vorgarten und achtete darauf, das Tor leise zu schließen. Er parkte das Motorrad außer Sichtweite hinter der Hecke, aktivierte die Alarmanlage und bedeckte es mit der Plastikplane, die er hinter den Mülltonnen aufbewahrte. Seine Wohnung lag im Erdgeschoss eines Hauses inmitten eines kleinen Gewirrs ruhiger Wohnstraßen, in der Nähe des Hammersmith Broadways. Er mochte die Gegend mit ihrer Fülle von Geschäften und preiswerten Restaurants an der Hauptstraße und ein paar guten Pubs in Laufnähe. Zweckmäßigkeit war das A und O, wenn man allein lebte und so unregelmäßige Arbeitszeiten hatte wie er.
Die solide gebauten, spätviktorianischen Reihenhäuser standen etwas zurückgesetzt hinter niedrigen Mauern und Vorgartenstreifen. Die alten Backsteinfassaden mit ihren angenehmen Proportionen, den großen Erkerfenstern in beiden Stockwerken
und den Giebeln darüber hatten etwas Beruhigendes. Irgendjemand in seiner Familie hatte einmal gesagt: »Georgianisch für die Schönheit, viktorianisch für die Bequemlichkeit«, und er dachte oft, wie wahr das doch war. Die meisten Häuser in der Straße waren zu mehreren Wohnungen umgebaut worden, manche gehörten der Stadt oder ortsansässigen Hausverwaltungen, andere waren in Privatbesitz, von denen einige wiederum immer noch ungeteilt das Heim einer Familie waren. Kirschbäume säumten die Straße zu beiden Seiten, jetzt waren ihre Zweige kahl und mit Schnee bedeckt. Aber in wenigen Wochen würden sie mit rosafarbenen Blüten beladen sein und der Straße etwas Verzaubertes geben.
Er öffnete die Haustür, betrat über den kleinen Gemeinschaftsflur seine Wohnung und ging direkt ins Wohnzimmer. Er knipste das Licht an und schloss die alten Fensterläden aus Holz, um den orangefarbenen Schein der Straßenlaterne, die direkt davor stand, auszusperren. Es waren noch die Original-Fensterläden, und als er in die Wohnung eingezogen war, hatte es Tage gedauert, sie von unzähligen Farbschichten zu befreien und wieder gängig zu machen. Er hatte so viel wie möglich vom Urzustand der Wohnung wiederhergestellt, den alten, braun gemusterten Teppichboden entfernt, den Hartholzboden darunter abgeschliffen und versiegelt und den marmornen Kaminsims freigelegt. Sogar den alten Kamin hatte er wieder geöffnet. Als er allerdings das erste Mal ein Feuer darin anzündete, hatte sich der ganze Raum mit Rauch gefüllt - der Kamin war seit Jahrzehnten nicht gekehrt worden.
Die Zentralheizung hatte sich vor Stunden abgeschaltet, und es war kalt, ja beinahe eisig im Zimmer. Schnell lief er zum Heizkessel im Flur und schaltete ihn wieder ein, ehe er zurück ins Wohnzimmer ging und das Jackett auszog. Während er seine Krawatte löste, hörte er die einzige Nachricht auf seinem
Anrufbeantworter ab. Sie war von Nicoletta, die wissen wollte, warum er so plötzlich gehen musste und wie er ihre Freundin Sarah fand. Ihm kam es vor, als sei das alles Tage her und nicht erst ein paar Stunden. Vielleicht hätte er sich mit Sarah ein wenig mehr Mühe geben sollen. In Augenblicken wie diesen, wenn er müde und spätnachts allein zu Hause war, sehnte er sich nach Gesellschaft und der körperlichen Nähe und Wärme einer Frau. Aber eine Freundin von Nicoletta war nicht die Antwort darauf.
Er lauschte einen Moment lang
Weitere Kostenlose Bücher