Wer Böses Tut
Golden Retriever, der mit dem Schwanz auf den Teppich klopft und um Streicheleinheiten bettelt. Sie spürte seine Einsamkeit, und trotz ihres Ärgers hatte sie Mitleid mit ihm.
Das Klingeln ihres Handys ersparte ihr die Peinlichkeit, eine angemessene Antwort zu finden. Es war Claire, die bei Tesco’s stand und wissen wollte, was sie zum Abendessen kaufen sollte.
»Ich kann mich nicht entscheiden«, rief Claire über den allgemeinen Lärm ins Telefon. »Möchtest du lieber Lasagne oder Shepherd’s Pie oder Makkaroni mit Käse?«
»Entweder Lasagne oder Makkaroni mit Käse. Shepherd’s Pie hatten wir, als ich das letzte Mal gekocht habe, und der war nicht so toll.«
»Ich gehe dann«, sagte Turner im Hintergrund und richtete sich auf.
Donovan hörte Claires Stimme in ihrem Ohr. »Ist das Mark? Willst du ihn einladen?«
»Nein, das ist er nicht. Aber warte mal. Hey, Simon«, rief sie Turner hinterher, der auf dem Weg zur Tür war. »Hast du heute Abend schon was vor?«
Er drehte sich um. »Nur ein Date mit Nicole Kidman. Nichts von Bedeutung.«
»Komm doch vorbei und iss mit uns. Meine Schwester Claire kocht oder besser gesagt, sie wärmt etwas von Tesco’s auf. Sie ist zwar keine Göttin der Küche, aber es wird schon genießbar sein.«
»Das wäre schön, danke.« Er zögerte. »Wenn du dir sicher bist …«
»Absolut.«
Sie hörte Claires Stimme. »Wer ist das? Wer ist Simon? Lästert ihr zwei über meine Kochkunst?«
»Soll ich irgendwas mitbringen?«, murmelte Turner.
»Nur dich und Whisky, wenn du welchen trinken willst.«
»Sam, hörst du mir zu?«, rief Claire. »Wer ist da bei dir?«
»Erzähl ich dir später, und wir sind dann heute Abend zu dritt. Vergiss den Wein nicht.«
Liz nippte an ihrem Tee und schaute aus dem Küchenfenster in den bedrohlich dunklen, grauen Himmel. Sie war die meiste
Zeit des Tages zu Hause geblieben und hatte verschiedene Kisten durchsucht, die sie in dem leeren Zimmer in der Wohnung ihres Bruders zwischengelagert hatte. Sie war auf der Suche nach ihren Fotoalben, aber nur Gott wusste, wo sie waren, wahrscheinlich noch bei ihrer Mutter, jedenfalls hoffte sie das. Stattdessen hatte sie eine Sammlung alter Briefe und Postkarten gefunden, ein Adressbuch und einen Kalender aus ihrem ersten Jahr an der Universität, den sie völlig vergessen hatte. Beim Durchblättern fühlte sie sich sofort in die Zeit zurückversetzt, und die sparsamen, einzeiligen Einträge erinnerten sie, wie alles, an Rachel.
Sie hatte einen Koffer mit alten Kleidern gefunden, hauptsächlich Pullover und ein paar T-Shirts, die mindestens zehn Jahre alt waren. Das meiste war reif für die Mülltonne, da sich die Motten darin getummelt hatten. Doch ein Kleid erregte ihre Aufmerksamkeit. Es war aus den Vierzigerjahren, ein schwarzes Seidenkleid mit rosafarbenen und roten Blümchen. An den Rändern war es ein wenig ausgefranst, der Saum war lose, und an einer Naht waren ein paar kleine Löcher, aber es war immer noch hübsch, und sie wusste noch, wie sie es vor fast zwanzig Jahren für ein paar Pfund auf dem Portobello Market erstanden hatte. Damals waren Jeans und T-Shirt ihre tägliche Uniform gewesen, und es war das einzige Kleid, das sie gerne getragen hatte; sie war eine Bohnenstange gewesen und fand sich damals in jedem Kleid hässlich.
Sie stand auf und nahm es mit zum Spiegel an der Wand, hielt es sich an und überlegte, ob es ihr wohl noch passen würde. Aber es sah unglaublich kurz aus, und die Taille saß zu hoch; sie musste gewachsen sein, seit sie es das letzte Mal getragen hatte. Sie faltete es sorgsam zusammen und verstaute es wieder im Koffer. Was sie damit machen sollte, würde sie sich später überlegen. Sie wusste nicht mehr, warum sie es so lange aufgehoben
hatte, und staunte, wie sehr sich seit damals alles verändert hatte.
Vom langen Sitzen auf dem Fußboden war sie ganz steif. Sie brauchte frische Luft und musste sich strecken. Sie war schon immer gerne gelaufen, seit sie ein Teenager war, und hatte oft mit Rachel gejoggt. Jeden Freitag waren sie nach der Schule zum Holland Park geradelt, hatten die Räder beim Abenteuerspielplatz abgestellt und waren zu Fuß durch den Park gerannt, bis sie außer Atem und mit klopfenden Herzen ihre Räder wieder einsammelten und nach Hause fuhren, wobei sie immer in einem Café auf dem Weg Halt machten, einen Kaffee mit viel Milch tranken, einen Mars-Riegel aßen und redeten. Das wurde zu einem allwöchentlichen Ritual, bis sie auf die
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