Wer braucht schon Liebe
haben.«
Sie gibt mir den Gürtel, den sie gerade gekauft hat. Schenkt ihn mir einfach.
» Schon gut«, sage ich verlegen. » Trotzdem danke.«
» Nimm schon. Ich besorg mir einen anderen.«
» Ehrlich gesagt, Marsha« – ich kann nicht glauben, dass ich sie bei ihrem Namen genannt habe! –, » passt er nicht wirklich zu mir.«
» Oh, okay«, sagt sie fröhlich, und jetzt erinnert sie mich an Sarah. » Hey! Warte, bis du diese wirklich scharfen Schuhe siehst, die ich gefunden habe …« Sie angelt nach der nächsten Tüte. Ich habe keine großen Hoffnungen. Und deswegen bin ich auch so überrascht. Unter Schichten von rosafarbenem Packpapier befinden sich die fantastischsten Sandalen, die ich je gesehen habe – ungefähr 17 Zentimeter hoch, schwarzes Lackleder, vorn ein Reißverschluss und zehn dünne Riemchen auf jeder Seite. Meine Hände werden magnetisch angezogen. Sie hält sie mir so liebevoll hin, als wären es ihre Kinder.
» Sind die nicht wunderschön?«, seufzt sie.
Ich nicke und seufze auch, als ich sie entgegennehme.
Sie sieht aus, als würde sie sie vermissen, also gebe ich sie ihr zurück. » Wo hast du die her?«
Sie kneift die Augen zusammen, versucht sich zu erinnern. » Aus irgendeinem kleinen Laden in der Nähe der Grafton … Warte mal …« Plötzlich hellt sich ihr Gesicht auf. » Weißt du was? Ich zeig es dir!« Dann fällt ihr wieder ein, mit wem sie redet. » Irgendwann – wenn du magst.«
Ich lächele zum Dank. Fange aber an, meine Sachen zusammenzusuchen. » Wahrscheinlich ist noch was zu essen da«, sage ich.
5 Panda-Schlappen
In der ersten Stunde am nächsten Tag haben wir – ihr werdet es nicht glauben – Verkehrserziehung. Wir sind sechzehn und leben noch: Könnte da nicht jemand zwei und zwei zusammenzählen? Immerhin sind wir hier in einer Schule. Gerade sind wir bei dem faszinierenden Thema » Sicherheit auf Autobahnen«, da halte ich es nicht mehr aus. Ich melde mich. Schließlich bin ich nicht die Erste, die das Klo als Entschuldigung benutzt, um nicht sich selbst zu erleichtern, sondern die Langeweile. Ich gehe den Gang hinunter, bleibe am Schwarzen Brett stehen. Das ist genauso spannend wie Verkehrserziehung. Also schlendere ich zur Toilette, wo ich mir die Hände so langsam wasche wie noch nie zuvor. Und endlich, bevor sie die Kavallerie losschicken, mache ich mich auf den Rückweg.
Gerade biege ich um die letzte Ecke, als ich McFadden entdecke. Was hat er getan – ebenfalls gefragt, ob er aufs Klo gehen darf? Er kommt direkt auf mich zu und sieht mir dabei unverwandt in die Augen. Mein Magen zieht sich zusammen, mein Puls wird schneller. Ich denke an den Kuss. Und spüre, wie ich rot werde. Ich denke an das, was er über meine Freunde gesagt hat. Und will ihm eine runterhauen. Ich denke daran, wie ich mich vor ihm habe gehen lassen. Und will weglaufen. Ich befehle mir selbst, mich zusammenzureißen. Das ist bloß McFadden. Ich mag McFadden nicht mal. Er bleibt vor mir stehen, die Hände in den Taschen vergraben.
» Ich habe über deine Frage nachgedacht«, sagt er.
Ich blinzele. » Was für eine Frage?«
» Du wolltest wissen, wie ich glücklich sein kann.«
Oh mein Gott. Diese Frage. Das hab ich jetzt davon, dass ich vor ihm zusammenbreche.
» Weißt du was? Ich will es gar nicht wissen. Es geht mich nichts an. Also vergiss es, okay?«
Tut er aber nicht. » Meine Mom hätte gewollt, dass ich glücklich bin.«
» Ich will nicht darüber reden, okay?«
» Hör mal. Ich habe das Gleiche durchgemacht wie du, ich kann dir helfen …«
» Ach ja? Wo warst du dann vor sechs Monaten?«, fauche ich ihn an, bevor ich es verhindern kann.
Sein Gesicht wird sanfter. » Da, wo du jetzt bist. Unausstehlich.«
Ich verstehe es absichtlich falsch. » Vielen Dank auch.«
Er sieht mir in die Augen. » So habe ich das nicht gemeint. Das weißt du genau.«
» Was soll’s. Also. Vielen Dank für das Angebot und alles, aber ich brauche keine Hilfe, und ich brauche keinen ›wahren‹ Freund, wenn es das ist, was du mir anbietest.«
» Ich habe dir meinen Rat angeboten.«
» Stimmt, also, ich will deinen Rat nicht.« Ich gehe. Denn er liegt falsch. Es ist nicht so leicht, glücklich zu sein. Man kann nicht einfach einen Schalter umlegen, egal, was deine Mutter gewollt hätte. Es ist eher wie Bergsteigen, wo jeder Schritt, den man zum Gipfel des Glücks zurücklegt, zur Folge hat, dass man sich einen Schritt weiter von ihr entfernt. Das kann ich nicht. Das werde ich
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