Wer braucht schon Liebe
nicht.
Wieder in der Klasse, versuche ich es auszublenden. Nicht so einfach, wenn es um das Thema geht, welchen Abstand ein Auto zu seinem Vordermann einhalten sollte. Ich nehme ganz deutlich wahr, wie die Tür aufgeht und McFadden wieder hereinkommt. Ich richte die Augen auf den Lehrer. Und auf die Uhr.
***
Ich war noch nie so glücklich, aus der Schule rauszukommen. In der DART redet (und redet) Sarah über die Party. Die Party, die tatsächlich stattfinden wird. Am Samstagabend. Ich starre aus dem schmutzigen Fenster. Der Himmel und das Meer haben dieselbe düstere graue Farbe. Der einzige helle Punkt weit und breit ist eine einsame weiße Jacht in der Ferne. Ich denke an McFadden, wie er am Ruder sitzt und herumbrüllt und überhaupt ätzend ist. So hat er mir besser gefallen.
» Also, was meint ihr, Leute? Ähm, könntet ihr euch irgendwie beteiligen oder so? Ihr wisst schon, für Alk und so’n Zeug.«
Rachel und ich sehen uns an. Spontan denke ich, dass es schließlich ihre Party ist. Andererseits habe ich mehr Geld, als ich brauche, und sie hat nicht genug, also, warum nicht? Aber wenn ich ihr Geld gebe, dann wird Rachel sich verpflichtet fühlen, ihr auch was zu geben. Deswegen stecke ich irgendwie in der Klemme.
» Okay«, sagt Rachel, » ich schau mal, was sich machen lässt.«
» Ich auch«, sage ich erleichtert.
» Danke, ihr seid super«, ruft sie wie ein Kind am Weihnachtsmorgen. Sie umarmt uns beide. Dann kommt ihre Haltestelle.
» Hoffentlich wird die Party ihren Erwartungen gerecht«, sagt Rachel, als wir ihr hinterhersehen, wie sie über den Bahnsteig geht.
» Unmöglich.«
Heute steige ich mit Rachel aus. Wir haben ein gemeinsames Projekt – Abgabetermin morgen –, an dem wir hätten arbeiten sollen. Wenn es nur um mich gehen würde, wäre es mir egal. Aber Rachel will etwas abgeben. Und es wäre nicht fair, sie die ganze Arbeit allein machen zu lassen.
Als wir ins Haus kommen, empfängt uns der Geruch von angebratenem Knoblauch. Ich folge ihr in die Küche, wo wir unsere Taschen fallen lassen.
» Was gibt’s zum Essen?«, fragt sie Yvonne.
Ich erinnere mich an diese Frage. Ich muss sie jeden Tag gestellt haben. Yvonne schaut vom Herd auf und lächelt. » Hähnchenpfanne. Und hallo auch.«
Rachel bietet mir etwas zu trinken an. Ich nehme etwas, damit wir noch ein bisschen in der Küche bleiben können. Wir setzen uns an die Kücheninsel und sehen Yvonne beim Kochen zu. In der einen Pfanne brät sie Knoblauch, Zwiebeln und Paprika an. In einer anderen in Mehl gewälzte Hähnchenteile. Und plötzlich fällt mir die Beerdigung ein. Wie ich danach nur dastand, zwischen all den Leuten, die zu mir kamen, meine Hand nahmen und sie drückten und Sachen sagten, mit denen ich nichts anfangen konnte. Mir schwirrte der Kopf, meine Beine zitterten. Ich hatte nichts gegessen. Und ich war kurz davor, umzukippen. Dann war auf einmal Yvonne da, nahm mich in die Arme, als wäre ich ein kleines Kind. Ich weiß nicht, wie lange sie mich so hielt, aber es war nicht lang genug. Als sie mich wieder losließ, umfasste sie mit Daumen und Zeigefinger mein Kinn und hob es an, damit ich ihr in die Augen sehen musste. » Wenn du etwas brauchst, ruf mich an. Jederzeit. Egal, was es ist.« Dann fiel mir auf, dass sie geweint hatte.
Jetzt, zurück in der Küche, sehen sie mich beide an.
» Wie bitte?«, sage ich.
» Bleibst du zum Abendessen?«, fragt Yvonne sanft.
Am liebsten hätte ich gesagt, ich bleibe für immer. » Das wäre toll, danke.«
» Gut.«
Oben holt Rachel ihren Laptop heraus.
» Das meiste von dem, was wir brauchen, müssten wir im Internet finden«, sagt sie.
Wir setzen uns nebeneinander an ihren Schreibtisch und starren auf den Bildschirm, während der Computer hochfährt.
» Also«, sagt sie und dreht sich zu mir um. » Was läuft zwischen dir und Dave McFadden?«
Ich wäre fast tot umgefallen.
» Da ist doch irgendwas im Busch. Stimmt’s?«
Ich zwinge mich zu lachen. » Nein.«
Sie zieht eine Augenbraue hoch. » Sicher?«
Mein Hirn schaltet sich wieder ein. » Spinnst du? Mit diesem Idioten?«
» Fairerweise würde ich ihn keinen Idioten nennen.«
» Ich schon.«
» Auf dem Boot war er wirklich nett zu mir. Ich habe ihn ein bisschen besser kennengelernt.«
» Schön für dich. Gib mir die Maus«, sage ich und beende das Gespräch.
Dachte ich zumindest.
» Was hast du eigentlich gegen ihn?«
» Wer sagt denn, dass ich etwas gegen ihn habe?« Ich klicke eine Webseite an.
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