Wer braucht schon Liebe
drückt mich an sich, und es fühlt sich so richtig an, von ihm gehalten zu werden, und nur von ihm. Diesmal schiebe ich ihn nicht weg. Diesmal behalte ich ihn genau hier bei mir.
***
Ich weiß nicht, wann genau Rachel auftaucht. Sie hockt sich neben mich hin.
» Geht es dir gut?«, fragt sie sanft.
Rachel, denke ich, wo warst du? Freunde sind dazu da, um aufeinander aufzupassen. Du wusstest, dass er ein Widerling ist. Du hast mich mit ihm gesehen …
» Ja. Es geht mir gut. Danke«, sage ich kalt.
» Gut.« Sie klingt erleichtert.
Sie steht auf und sieht McFadden an. Sie lächelt. » Danke«, sagt sie, als wäre ich gar nicht da. Dann ist sie verschwunden.
» Was war das? Warum hat sie sich bei dir bedankt?«
» Rachel hat sich Sorgen um dich gemacht. Sie hat mich gebeten, nachzusehen, ob es dir gut geht.«
Moment mal. Er hat mir nur geholfen, weil Rachel ihn darum gebeten hat? Er hat es gar nicht freiwillig getan? Es wäre ihm nicht mal aufgefallen. Er wäre nicht gekommen. Ich stelle mir vor, wie sie zu ihm geht und ihn um Hilfe bittet, und ich schäme mich. Ich stehe auf.
» Jetzt geht es mir gut. Danke. Du musst dich nicht mehr um mich kümmern.«
Er lacht. » Wenn du das so sagst, klingt es so, als wäre ich ein Babysitter.«
» Bist du das nicht? Na dann, danke und so. Ich bin mir sicher, Rachel weiß es zu schätzen …«
Er steht auf und streckt eine Hand nach mir aus. » Komm her.« Er sagt es so selbstbewusst, als wüsste er irgendwie, was er tut.
Ich gebe ihm meine Hand. Und wir setzen uns wieder hin.
» Alex.« Oh Gott, ich liebe die Art, wie er meinen Namen sagt. » Ich bin hier, weil ich es will, okay? Ich wäre auch gekommen, wenn Rachel mich nicht darum gebeten hätte. Mir war klar, was da abging. Ich hab nur gehofft, dass es nicht nötig sein würde, die Nummer mit dem Ritter in schimmernder Rüstung abzuziehen. Aber so ist es eben.«
Ich verdaue noch, was er gesagt hat.
» Ich will dein Freund sein«, sagt er.
Ich sehe ihn mit großen Augen an.
» Ich will mehr als dein Freund sein.« Und er beugt sich zu mir, und mir ist klar, dass ich weglaufen könnte, dass ich jetzt aufspringen könnte, auf der Stelle. Aber ich tue es nicht. Ich schließe die Augen. Und als wir zusammenfinden, frage ich mich, warum es so lange gedauert hat.
Es wird kalt. Er zieht seinen Kapuzenpulli aus und gibt ihn mir. Er hilft mir sogar, ihn anzuziehen. Was eigentlich ein Trauerspiel ist – aber irgendwie auch wieder nicht. Er fährt mir mit den Fingern durch die Haare, bringt sie wieder in Ordnung.
» Wir sollten jetzt wohl gehen«, sagt er.
Und da haben wir die peinliche Situation mit dem Nachhausefahren. David bietet an, mich heimzubringen. Aber seit Mitternacht wartet Mike draußen auf mich. Als wäre ich das verfluchte Aschenputtel. Und ich muss ihm das sagen.
» Okay …«, sagt er und scheint darüber nachzudenken, was das für uns bedeutet.
» Ich kann dich mitnehmen«, sage ich.
» Äh, ist schon okay, danke.« Kurzes Schweigen. » Der Fahrer. Ist er draußen?«
» Ja.«
» Dann bring ich dich zum Auto.«
Ich fühle mich leer, will mich nicht von ihm trennen. Aber ich ziehe meine Schuhe aus und stehe auf. Der Boden ist kalt. Trotzdem ist es besser so als mit Absätzen. Er legt mir den Arm um die Schulter. Ich lehne mich an ihn. Ich will nicht, dass es endet.
Wir gehen zum Auto. Mike steigt aus.
» Alles okay?«, fragt er David und mustert ihn auf eine Art und Weise, die man eindeutig als bedrohlich bezeichnen könnte.
David strafft die Schultern. » Alles in Ordnung. Alex will heim.« Er sieht Mike ebenfalls so an, als würde er ihm nicht über den Weg trauen.
» Alles in Ordnung, Alex?«, fragt Mike.
» Dank David schon«, sage ich.
Mike sieht ihn noch einmal an, überdenkt sein Urteil. » Kann ich dich irgendwo absetzen, Kumpel?«
» Nein. Danke. Ich komm schon klar.« Er sieht zu mir. » Ich ruf dich an.«
» Du hast meine Nummer nicht!«
» Ich finde sie raus.« Er lächelt und berührt mich am Arm. Dann ist er weg. Zurück in Sarahs Haus. Zurück auf der Party.
7 Was hast du für große Augen
Ich wache auf am Geburtstag meiner Mutter. Ohne sie. Mein Zeichenblock ist leer. Doch ich habe Homer. Und ich habe noch etwas. Ich habe letzte Nacht. Langsam laufen die Ereignisse noch einmal vor meinem inneren Auge ab. Ich sinke zurück in die Kissen und schließe die Augen (was so oder so besser ist, denn mein Kopf tut höllisch weh). Ich stelle mir sein Gesicht vor. Erinnere mich
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