Wer braucht schon Liebe
eiskalt.
Ich schreie. Beschimpfe ihn. Nenne ihn Arschloch. Und noch etwas Schlimmeres. Hastig rappele ich mich hoch und plane einen schnellen Abgang.
Er stellt sich mir in den Weg. » Jetzt bist du sowieso schon nass. Also bleib drin.«
» Auf keinen Fall.«
» Auf jeden Fall.« Wieder packt er mich, und ich rechne damit, dass er mich noch mal ins Wasser werfen will, aber stattdessen hebt er mich hoch und küsst mich. Ich vergesse die Kälte. Ich vergesse das Meer und verschmelze mit ihm, schlinge die Beine um ihn. Er taucht unter, sodass ich ganz im Wasser bin. Und es ist mir egal.
» Komm«, sagt er schließlich, » holen wir die Bretter.«
Wir passen die Wellen ab, paddeln wie wahnsinnig und lassen uns ans Ufer treiben. Dann paddeln wir wieder hinaus und surfen zurück. Es ist fantastisch. Ich habe mich noch nie so lebendig gefühlt. Und so glücklich. Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich bin hier am Killiney Beach, einem der Lieblingsorte meiner Mutter, und ich kann lachen. Und es ist okay. Es bedeutet nicht, dass ich sie vergessen habe. Oder dass ich sie weniger liebe. Es ist möglich, glücklich zu sein und doch nicht zu vergessen. Sich nicht schuldig zu fühlen. Ich sehe David an und erinnere mich an das, was er gesagt hat. Sie würde wollen, dass ich glücklich bin. Jetzt ergibt es einen Sinn. Als sie noch gelebt hat, wollte sie, dass ich glücklich bin. Warum sollte das jetzt anders sein?
Als ich nach Hause komme, würde ich am liebsten ins Arbeitszimmer des Rockstars platzen und es ihm erzählen. Er soll wissen, dass er mich zwar im Stich gelassen hat, aber dass ich jemand anderen gefunden habe. Jemanden, der mich zurück ins Leben geholt hat. Trotz ihm. Aber ich platze nicht hinein. Ich erzähle es ihm nicht. Denn er verdient es nicht, Bescheid zu wissen.
Am nächsten Tag geht Gran mit uns zum Mittagessen in ein Fischrestaurant in Dun Laoghaire. Es ist groß und hell und die Kellnerin ist nett.
» Du siehst gut aus«, sagt Gran zu mir.
Und ich weiß, dass sie nicht lügt. Gestern Abend habe ich mich selbst kaum wiedererkannt, als ich in den Spiegel geschaut habe. Es muss an der Meeresluft liegen.
» Du bist glücklich«, sagt sie zu mir und sieht David dann bedeutungsvoll an.
Ich bestreite es nicht. Ich bin glücklich.
» Also«, sagt Gran zu ihm. » Wie war sie so? Am Anfang. War sie unmöglich?«
Ich bin entsetzt.
Er sieht mich an und lächelt. » Unmöglich.«
Ich schlage ihn.
Sie lacht.
Er sieht wieder Gran an. » Sie hat es mir wirklich schwergemacht.«
» Entschuldigt bitte. Hal-lo? Ich sitze direkt hier.«
Gran lacht wieder. Sie genießt es. Stolz sieht sie mich an, als würde es sie freuen, dass ich ein schwieriger Fall gewesen bin.
» Und wie seid ihr schließlich zusammengekommen?«, fragt sie ihn, wohl wissend, dass sie von mir darauf keine Antwort kriegen würde.
Er sieht mich an. » Ich glaube, irgendwann habe ich sie mürbe gemacht.«
Ich bin erleichtert, dass er nichts von der Party erzählt. Oder von Louis. Aber eigentlich wusste ich, dass er das nicht tun würde.
» Aber sie ist es wert, nicht wahr?«, fragt Gran.
Dann sieht er mich wieder an. » Sie ist es absolut wert.«
Und plöztlich habe ich das Gefühl, als wäre niemand sonst im Raum.
14 Die große Verführerin
Am Montagmorgen betreten David und ich gemeinsam das Klassenzimmer.
» Hier kommt die Braut«, singt Orla Tempany.
Ich zwinge mich, weiterzugehen, nicht zu reagieren. Aber ich denke: Oh, mein Gott.
» Taa, ta, ta taaa«, singt Simon Kelleher. Einfallsreich wie immer.
David drückt meine Hand. Wir lächeln, als wäre es uns egal, als wäre das alles saukomisch. Dann muss ich mich von ihm trennen und mich auf so etwas wie eine Expedition quer durch das ganze Klassenzimmer begeben. Ich ignoriere die Blicke, die Kommentare, die grinsenden Gesichter. Ich setze mich hin und sehe zu David hinüber. Er dreht sich um und lächelt.
Das gibt sich wieder, denke ich.
Dann dreht Amy Gilmore sich auf ihrem Platz um. » Also, warum so ein großes Geheimnis?«
» Wie bitte?«
» Ich habe dich direkt gefragt wegen David. Und du hast so getan, als wüsstest du nicht, wovon ich rede. Das ist, wie wenn du gelogen hättest, Alex.« Sie dreht sich wieder um, als wäre ich eine Verbrecherin.
Den restlichen Vormittag mache ich mich ganz klein. In der Pause wartet David auf mich. Wir gehen mit Rachel, Sarah und Mark in die Cafeteria.
» Dieser Kuss war auf jeden Fall keine gute Idee«, sagt
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