Wer braucht schon Liebe
Wir liegen nebeneinander, sehen uns an, reden. Ich schaue ihm unverwandt in die Augen und frage mich, ob es normal ist, dass man in jemanden hineinkriechen und unter seiner Haut leben will. Ich habe noch nie die Ohren von jemandem geliebt. Oder die Wimpern. Normalerweise fallen mir solche Sachen nur auf, wenn etwas damit nicht stimmt. Davids Ohren sind perfekt, liegen hübsch am Kopf an. Seine Wimpern sind lang, dunkel und gebogen. Was ziemlich erstaunlich ist, wenn man bedenkt, wie blond er ist. Ich fahre mit dem Finger daran entlang.
Er lacht. » Was machst du da?«
» Ich schaue nur, ob die echt sind.«
Er rollt sich auf mich. » Alles an mir ist echt.«
Und ich weiß nicht, ob es Chemie ist oder Biologie oder Physik, aber wenn zwei, die verrückt nacheinander sind, nebeneinander liegen, ist es unmöglich, sich nicht zu küssen, sich nicht zu berühren. Mund auf Mund, Haut an Haut, Mund auf Haut, immer schneller und schneller, heißer und heißer. Man kommt in Fahrt, und wenn man nicht einschreitet, wird man mitgerissen wie ein Boot, das auf eine Stromschnelle zurast. Und das ist ein Problem.
Ich rolle ihn herum, sodass ich oben bin. Ich setze mich auf seinen Bauch. Drücke seine Arme nach unten. Als würde ich herumalbern. Spielen.
Aber er kapiert es. » Alles okay mit dir?«
Ich presse die Lippen aufeinander. Nicke. Mein Herz hämmert. Ich sehe ihn an. Mit schlechtem Gewissen. » Ich bin noch nicht so weit.«
Er sieht mich lange an. Dann lächelt er. » Wer sagt, dass ich es bin?«
Ich weiß, dass er das nur so sagt, aber ich bin ihm unendlich dankbar.
Er hebt mich herunter. » Komm, wir holen uns was zu trinken.«
» Tut mir leid.«
» Na komm schon.« Er springt vom Bett, dann nimmt er meine Hand und zieht mich hoch.
In der Küche geht er zum Kühlschrank. Ich betrachte seinen Rücken und stelle mir seinen Körper unter dem T-Shirt vor. Ich zwinge mich, damit aufzuhören.
» Geht es Mark gut?«, frage ich.
Ernst dreht er sich vom Kühlschrank zu mir um. » Wollen wir das wirklich tun?«
» Was?«
» Ich erzähl dir von Mark, du gehst damit zu Rachel. Und schon bald macht die Information die Runde.«
» Ich will nur wissen, ob es ihm gut geht. Er kam mir ein bisschen deprimiert vor.«
Er schenkt zwei Gläser Saft ein. Dann gibt er mir eins. » Er hat es einfach als ein Nein aufgefasst. Und wahrscheinlich war es das auch.«
» Nein! War es nicht!«, beeile ich mich zu sagen und stelle meinen Saft ab. » Es war ihr bloß peinlich, dass Sarah es vor allen anderen angesprochen hat.«
» Okay«, sagt er, als wäre die Sache damit erledigt.
» Also, was jetzt?«, frage ich.
Er sieht mich an. » Ich nehme an, das liegt bei Rachel.«
» Wie meinst du das?«
» Na ja, wenn sie Interesse hat, dann sollte sie versuchen, es ihm zu sagen.«
Es klingt so einfach. Ich komme mir dumm vor, weil ich nicht daran gedacht habe. » Du hast recht!«
Er schüttelt den Kopf. Und lacht. » Komm her.« Er nimmt mich in die Arme und küsst mich. Ich küsse ihn auch. Das Genie.
Mike setzt mich zu Hause ab. Ich weiß nicht, ob er dem Rockstar erzählt hat, dass ich mit jemandem zusammen bin (vorausgesetzt, er hat es sich selbst zusammengereimt). Falls ja, so wird jedenfalls kein Wort darüber verloren. Ich gehe an seinem Arbeitszimmer vorbei. Es ist 21 Uhr. Die Tür steht einen Spaltbreit offen und das Licht ist an. Und da ist er, so geistlos wie Haferschleim, bei der Arbeit.
Ich gehe hoch in mein Zimmer und rufe Rachel an. Ich erzähle ihr, was David gesagt hat.
» Also sag einfach Ja«, fasse ich zusammen.
» Einfach zu ihm hingehen und Ja sagen?«
» Ja.«
» Oh Gott.«
» Ich glaube, du hast keine andere Wahl, Rachel.«
Sie schweigt einen Moment. » Okay. Wann soll ich es tun?«
Hurra! » Je früher, desto besser … Morgen.«
» Oh Gott.«
» Vielleicht kannst du ihn nach der Schule allein abpassen.«
Jetzt schweigt sie länger. » Kannst du Sarah ablenken?«
» Überlass das nur mir.«
Ich lege auf und bin schon wieder hungrig. Es fühlt sich so an, als hätte ich monatelang nichts gegessen. Was tatsächlich so ziemlich der Fall ist. Ich gehe nach unten und bitte Barbara um einen Smoothie. Um sie aufzumuntern, mache ich es kompliziert. Erdbeere und Banane mit Kiwi und Weintrauben. Hoffentlich schmeckt das. Ein erstaunlich breites Lächeln, von dem ich nie gedacht hätte, dass sie dazu fähig wäre, erhellt ihr Gesicht. Und weil sie glücklich aussieht und weil ich sonst nichts zu tun habe,
Weitere Kostenlose Bücher