Wer braucht schon Liebe
habe ich es genauso gemacht und bin lieber mit Rachel oder Sarah shoppen gegangen. Wenn ich gewusst hätte, dass unsere Zeit ablief, dass unsere gemeinsame Zeit begrenzt war …
» Gehst du mit deiner Mutter einkaufen?«, fragt sie, als würde sie alles an meinen Standards messen.
Ich räuspere mich. Ich werde ihr nicht von Mum erzählen. Ich werde mein Leben nicht hierher bringen. Wenn ich das täte, wie könnte ich ihm dann entfliehen?
» Manchmal«, sage ich.
» Wo geht ihr hin?«
» Dundrum«, sage ich und stelle mir das Leben vor, das ich gerne hätte. » Mum ist ein ziemlich hoffnungsloser Fall. Ich muss die Klamotten für sie aussuchen. Sie würde auf einen Kleiderständer schauen und nichts finden. Ich bringe sie dazu, irgendwelche Sachen anzuprobieren. Sie sieht nicht, wie hübsch sie ist.« Das hat sie nie gesehen.
Ich kann es nicht fassen, wie viel Information man an einem Nachmittag durch Fragen herausbekommen kann. Als ich gehe, habe ich einen Vater, der Ingenieur ist. Er macht mir das Leben schwer wegen Hausaufgaben und Jungs und Zimmeraufräumen. Ich habe einen Bruder, der sich beim Hockeyspielen den Daumen gebrochen hat. Und ich habe eine Freundin, Rachel, die auf Berge steigt.
Am Dienstag weiß ich, was ich nach der Schule werden will – Ärztin.
Am Mittwoch habe ich einen Freund. Aber es ist nichts Ernstes.
Am Donnerstag holt mein wahres Leben mich ein. Rachel kommt in den Laden. Ich husche hinter eine Vitrine. Und beobachte durch das Glas, wie sie auf die Theke zugeht. Pat, die gerade Preisschilder an ein paar Ketten befestigt, sieht auf. Ich höre nicht, was Rachel sagt, aber ich höre Pat.
» Ganz und gar nicht.« Suchend sieht sie sich im Laden um. Es dauert nicht lange. » Ach, da bist du! Hier ist jemand, der kurz mit dir sprechen will.« Sie lächelt Rachel zu.
» Schon gut«, sage ich. » Ich kann Rachel nach der Arbeit anrufen.« Weil ich weder kurz noch lang noch überhaupt mit irgendjemandem sprechen will.
» Das ist also Rachel«, sagt Pat beeindruckt.
Rachel wirft mir einen total überraschten Blick zu, weil ich jemandem von ihr erzählt habe.
Ich gehe schnell nach vorn.
» Warum macht ihr zwei nicht eine kurze Kaffeepause?«, sagt Pat. » Geht schon.«
» Danke«, sage ich und greife nach meiner Tasche hinter der Theke, bevor sie aufs Bergsteigen zu sprechen kommen kann.
» Machen wir es lieber kurz«, sage ich draußen zu Rachel. » Ich will es nicht ausnutzen.«
Rachel sieht mich ganz direkt an. » Keine Sorge, ich werde nicht viel von deiner Zeit beanspruchen.« Eis.
» So hab ich das nicht gemeint.«
» Du rufst mich nicht zurück. Du willst mich nicht sehen. Alles klar, Alex. Ich habe verstanden.«
» Warum bist du dann hier?«, sage ich, um es ein für alle Mal klarzustellen. Um sie endgültig abzuweisen.
Sie verzieht keine Miene. » Sein Flug geht morgen um 10 Uhr.«
Ich schlinge die Arme um mich. » Und weiter?«
» Nichts weiter. Das ist deine letzte Chance.«
Ich sage ihr nicht, was ich mit meiner letzten Chance gemacht habe. » Erklär mir mal, was dich das angeht«, sage ich stattdessen. Weil ich niemanden brauche.
» Hör auf! Okay?«, sagt sie plötzlich so laut, dass sich die Leute nach uns umdrehen. » Du brauchst andere Menschen. Alex, wenn du dich nicht verabschiedest, wird es dir leidtun.«
» Hör mal. Ich muss wieder zurück.«
» Alex. Mach die Augen auf. Schau dir an, was los ist. Du kapselst dich total ab.«
Genau, denke ich.
Sie reißt die Hände hoch. » Okay. Gut. Aber nur, damit du Bescheid weißt: Es kommt ein Punkt, da hören die anderen auf, es zu versuchen.«
» Gut«, sage ich, um zu bekräftigen, dass es das war. Das Ende.
» Auf Wiedersehen, Alex.«
Ohne ein weiteres Wort lasse ich sie gehen. Ich schlinge die Arme noch fester um mich. Dann zwinge ich ein Lächeln in mein Gesicht und gehe zurück zum Laden. Ich habe zu tun. Es geht mir gut.
» Das ging aber schnell«, sagt Pat gut gelaunt.
Ich lächele noch breiter.
» Das war also Rachel?«, fragt sie.
» Äh. Ja.« Ich nehme einen Lappen, drehe ihr den Rücken zu und fange an, eine Glasvitrine zu putzen.
» Sie sieht fit aus. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich meine Kinder über einem Abgrund klettern lassen würde.«
Ich poliere in kreisförmigen Bewegungen. Immer herum, immer herum, über dieselbe Stelle auf dem Glas. Aber dann fällt mein Blick auf mein Spiegelbild, und ich sehe so traurig aus, dass ich mich hastig abwende. Ich stoße mit Pat
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