Wer braucht schon Liebe
sieht mir dabei unverwandt in die Augen. Wenn er mich küsst, werde ich dahinschmelzen. Oh Gott. Ich werde schwach werden.
» Halt.«
Er kommt weiter auf mich zu.
» Bleib stehen oder ich schreie.«
Er bleibt stehen. Er bleibt stehen und sieht mich fassungslos an, als hätte ich ihn gerade wegen etwas beschuldigt. Er macht einen Schritt rückwärts.
» Ich gebe auf«, sagt er, mehr wütend als traurig. » Ich gebe auf.« Dann geht er. Und ich wünsche mir von ganzem Herzen, er hätte aufgegeben, bevor ich ihm wehtun musste.
So ist es besser, sage ich mir. Für ihn. Für mich. Aber als er durch die Tür geht, kann ich nur an eines denken: Ich werde ihn nie wiedersehen.
Ich weine, bis ich keine Tränen mehr habe. Und ich muss mehr als eine Stunde warten, bis mein Gesicht wieder einigermaßen normal aussieht. Dann mache ich mich auf die Suche nach Marsha. Ich finde sie in Dads Arbeitszimmer, wo sie auf einem Skizzenblock Klamotten designt.
» Keine Besucher mehr«, sage ich bestimmt. » Keine Telefonanrufe mehr.«
Sie sieht auf. » Was ist los?«
» Nichts. Wie du schon sagtest: Weihnachten ist scheiße. Tja, das ist es tatsächlich.«
Sie legt ihren Filzstift weg. » Aber es geht nicht um Weihnachten, stimmt’s?«
Ich schließe die Augen, atme tief durch. » Sieh mal, ich will einfach nur eine Weile allein sein, okay? Ich will nichts weiter als meine Ruhe.«
» David ist ein klasse Typ.«
Ich muss mich zwingen, mir nicht die Ohren zuzuhalten. » Marsha. Das brauchst du mir nicht zu sagen.«
Sie sieht mich lange an. » Du hast ihn verloren, nicht wahr?«
Ich atme tief durch. » Ja, das habe ich«, sage ich mit fester Stimme, in der kein Gefühl mitschwingt. » Und jetzt will ich allein sein. Okay?«
Sie steht auf und breitet die Arme aus.
Ich rühre mich nicht vom Fleck.
» Marsha. Mir geht es gut«, sage ich, als hätte ich alles im Griff. » Ich gehe wieder nach oben, um zu duschen und zu lüften. Dann esse ich was.« Denn diese Dinge gaukeln den anderen vor, dass es einem gut geht. So viel weiß ich.
Aber da ist etwas in ihren Augen. Und ich kriege Panik.
» Erzähl dem Rockstar nichts davon.«
» Er ist dein Vater.«
» Und du bist meine Freundin. Ich bitte dich, es ihm nicht zu erzählen. Er weiß nicht mal, dass ich einen Freund hatte. Was für einen Sinn hätte es also? David zieht weg. Er geht zurück in die Staaten. Ich werde darüber hinwegkommen. Lassen wir einfach alles so, wie es ist, bitte. Ich will nicht, dass er es erfährt.« Ich will nicht, dass er so tut, als würde es ihn kümmern.
Dann klingelt das Telefon. Sie sieht mich an und hebt ab.
» Oh, ja. Hi. Einen Moment, ich seh mal nach.« Sie hält die Sprechmuschel zu. » Bist du für deine Gran zu sprechen?«
Mein Magen verkrampft sich. Ich habe sie absichtlich nicht besucht, weil ich es nicht fertigbringe, ihr das von David zu erzählen. (Sie hätte zu viel dazu zu sagen.) Aber sie ist die Einzige, die mich braucht.
» Letzter Anruf«, flüstere ich ihr zu. Ich strecke die Hand nach dem Telefon aus.
» Hey, Gran.«
» Großer Gott. Du klingst schrecklich«, sagt sie. » Bist du in Ordnung?«
» Ich bin erkältet. Mir geht es gut.« Mit einem Blick gebe ich Marsha zu verstehen, dass ich das Telefon mitnehme. Dann gehe ich.
» Ich schick dir ein bisschen Vitamin C.«
» Ehrlich, Gran. Alles halb so schlimm.« Ich will nicht, dass sie das Haus verlassen muss, um Vitamine zu kaufen.
» Du kriegst sie in ein oder zwei Tagen. Nimm sie.«
» Okay«, sage ich, weil es einfacher ist, ihr zuzustimmen.
» Ich maile dir ein paar Links mit Tipps zur Stärkung des Immunsystems, okay?«
» Okay. Danke.«
» Lies es.«
» Mach ich.« Ich geh die Treppe hoch.
» Ist dein Vater in der Nähe?«, fragt sie.
Ich mache eine Pause. » Der ist in London.«
» Ach, zum Donnerwetter. Wer ist denn bei dir?«
» Marsha.«
» Ist das die Köchin?«
» Nein, die Stylistin.«
» Jesses Maria!«
» Ist schon okay. Mike ist da. Und Barbara, die Köchin. Ich bin nicht allein.«
» Ich komme vorbei.«
» Gran, er kommt heute Abend wieder«, lüge ich. » Mir geht es gut.« Sie findet es schrecklich, vorbeizukommen, sie mag den Rockstar genauso wenig wie ich.
» Bist du sicher?«, fragt sie.
» Absolut.« In meinem Zimmer angekommen, schließe ich die Tür hinter mir.
» Okay, also, trink viel und ruh dich aus. Ich komme in ein paar Tagen vorbei.«
» Nein, ich komm zu dir … Wie geht es dir?«
» Gut. Ich habe mir nur Sorgen um
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