Wer braucht schon Liebe
Job verloren.«
» Willst du damit sagen, dass nach allem, was die Kinder durchgemacht haben, ihr Vater sie wieder entwurzelt hat, weil er seinen Job verloren hat? Was ist los mit diesem Mann? Hat er sich überhaupt bemüht, einen neuen Job hier vor Ort zu finden?«
Ich zucke mit den Schultern.
» Wann hat er seinen Job verloren?«
» Vor ein paar Wochen.«
» Also hat er es gar nicht erst versucht. Hat er überhaupt einen Job in den Staaten, oder ist er nur mit eingezogenem Schwanz davongeschlichen, als es schwierig wurde?«
» David sagt, beim Militär ist es sicherer …«
Missbilligend schüttelt sie den Kopf. » Der Mann ist ein Feigling. In was für einer Welt würden wir leben, wenn jeder seine Entscheidungen von Angst bestimmen lässt?«
» Gran, könnten wir bitte nicht darüber reden?«
Sie sieht mich an und ihr Gesichtsausdruck wird sanfter. » Entschuldige. Er war einfach so ein netter Junge. Und er war so gut zu dir. Du vermisst ihn bestimmt.«
Eine Untertreibung.
» Komm her, nimm deine alte Gran in den Arm. Kein Wunder, dass es dir so elend geht.«
Ich schließe die Augen. Sie riecht nach Geborgenheit und so vertraut, dass ich fast klein beigebe, fast anfange zu weinen. Aber ich beiße die Zähne zusammen. Und ich bleibe hart.
Als Gran nach Hause gefahren ist, bringe ich ihr Sherry-Glas zurück in die Küche. In der Tür halte ich inne. Gerade will ich kehrtmachen, als er mich sieht. Er steht am Herd, trägt Mums rot-weiß gepunktete Schürze und liest in einem ihrer alten Kochbücher. Er blickt auf und lächelt.
» Was möchtest du zum Abendessen?«
Ich bin auf der Hut. » Wo ist Barbara?«
»Ich habe ihr den Rest des Tages freigegeben.«
» Aber du kannst nicht kochen.«
» Natürlich kann ich kochen.«
» Weißt du was, lass es gut sein«, sage ich. » Ich mache mir später ein Sandwich.«
» Wie wäre es mit einem Curry? Du mochtest Curry immer.«
» Mums Curry.«
» Ich kann Mums Curry machen.«
Bevor ich ihn stehen lasse, sage ich: » Und wozu? Bringt sie das zurück?«
Er macht das Curry trotzdem. Und weil ich ein schlechtes Gewissen habe, setze ich mich zu ihm und esse es. Wir sind nur zu zweit. Keine Marsha. Keine Barbara. Kein Mike. Und keiner aus dem üblichen Gefolge. Ausnahmsweise wünsche ich sie mir her. Damit ich ihn nicht ansehen muss, stütze ich den Ellbogen zwischen uns auf den Tisch.
» Also«, sagt er. » Grace sieht gut aus.«
Das kann ich ignorieren. Es war keine Frage.
» Wie geht es ihr?«
Ich sehe ihn an, als ich sage: » Sie vermisst Mum.« Ich lasse den Satz im Raum stehen, damit er die Botschaft versteht – er sollte sie auch vermissen.
Sieg! Er sieht schuldbewusst aus. Sein Blick wandert zurück zu seinem Essen. Nach einer Weile versucht er es allerdings erneut. » Also, wie läuft das Praktikum?«
» Gut«, murmele ich in das Curry, das seltsamerweise so gut ist, dass es mich an Mum erinnert.
» Wie kommst du mit den Leuten klar, mit denen du arbeitest?«
» Gut.«
» Ich sollte mal vorbeikommen und etwas kaufen. Sie unterstützen.«
Jäh blicke ich auf. » Tu das nicht.« Angeblich ist er Ingenieur.
Er atmet tief durch. Dann sagt er: » Okay.« Er sieht so gekränkt aus, dass ich es ihm fast erklärt hätte. Dann fällt mir wieder ein, wie die Dinge zwischen uns stehen. Wie sie immer stehen werden.
Und damit wäre die Unterhaltung beendet.
Bis er meinen Teller abräumt.
» Denkst du, wir sollten dir eine Vitaminkur besorgen oder so was nach der Erkältung?«
Als ich mich von dem Schock erholt habe, sage ich: » Schon gut. Gran hat mir was besorgt.«
» Tatsächlich?« Er sieht schuldbewusst aus, als wäre es etwas gewesen, um das er sich hätte kümmern sollen. » Ach, stimmt ja. Okay.«
Nach kurzem Schweigen steht er auf und trägt seinen Teller zur Spüle.
Jedem anderen hätte ich beim Abräumen geholfen.
***
Sonntagmorgen. Als ich zum Frühstück herunterkomme, sitzt er mit der aufgeschlagenen Zeitung am Küchentisch, wie ganz normale Väter es tun. Fast könnte er Ingenieur sein. Er sieht auf und lächelt.
» Möchtest du ein Omelette?«
Am liebsten würde ich ihm sagen, dass er aufhören soll, sich Mühe zu geben. » Wo ist Barbara?«
» Sie schläft aus.«
Ich hole mir meine Cornflakes. » Hast du nichts zu tun?«
» Es ist Wochenende.«
» Das hat dich doch noch nie abgehalten.«
Er sieht mich lange an. » Und das tut mir leid.«
Ich zucke mit den Schultern, setze mich ans andere Ende des Tisches und schütte
Weitere Kostenlose Bücher