Wer braucht schon Zauberfarben?
ich dich liebe, egal was sie sagen, egal was passiert. Du weißt es doch Bruder?“, flehe ich ihn förmlich an.
„Ja Schwester, ich weiß es. Niemand wird es schaffen, einen Keil zwischen uns zu treiben“, bestätigt er.
Ich streiche über sein Handgelenk. Junus fährt mir mit der Hand durch die Locken und küsst meine Stirn. Daraufhin trägt er mich in mein Zimmer und legt sich zu mir aufs Bett, wo er mich fest an sich zieht.
An seine Brust gekuschelt warte ich, bis er eingeschlafen ist. Daraufhin löse ich mich sanft von ihm und hole die Tasche aus dem Flurschrank, die ich vorbereitet habe. Den Brief für Junus lege ich ihm an die Stelle, an der ich bis vor kurzem noch lag.
Junus,
ich habe heute erfahren, dass ich nicht deine leibliche Schwester bin. Das hat mich ganz schön aus der Bahn geworfen.
Darüber hinaus weiß ich jetzt, dass ich eine schwarze Hexe bin. Beliars Tests haben mich entlarvt. Auch wenn er davon nichts bemerkt hat. Komisch, ich weiß gar nicht, was eine schwarze Hexe ist. Ich weiß nicht, was der Unterschied zwischen unserer Magie ist, aber eins weiß ich genau. Ich will nicht böse sein. Will nicht zu einem Monster werden. Deshalb gehe ich fort.
Niemals lasse ich mich für die Zwecke anderer missbrauchen – auch nicht von meinesgleichen. Natürlich ebenfalls nicht von Beliar, der mich einsperren und foltern will, damit er an Informationen über die Gilde kommt. Ich vermute, er wird mich sogar dazu zwingen, sie auszuspionieren.
Das Beste ist, ich weiß gar nichts über irgendeine schwarze Gilde. Will auch nichts darüber wissen, wer mich für welchen Zweck gegen deine Schwester ausgetauscht hat.
Ich habe jedes Wort ernst gemeint. Ich liebe dich. Es ist mir egal, ob in unseren Adern dasselbe Blut fließt. Für mich bist du mein Bruder, auch wenn unsere Kindheitserinnerungen manipuliert wurden, haben wir dennoch gemeinsame Erinnerungen, die wahr sind.
Ich weiß nicht, wer ich bin. Alles was ich weiß ist, dass ich gerade alles verloren habe.
Ich wollte nie ein Leben in Flucht führen, aber sieht so aus, als ob es das Leben ist, das mir vorherbestimmt ist. Egal wie sehr ich mich dagegen wehre, es scheint immer die einzige Alternative zu bleiben.
Bitte such nicht nach mir – du wirst mich nicht finden.
Mach dir keine Sorgen um mich. Wie ich bereits sagte, die Verrückten kommen immer irgendwie durch.
In Liebe
Deine Schwester
Mein Rabe bringt den zweiten Brief zu Beliar.
Beliar,
Ich habe mich auf den ersten Blick in dich verliebt. Zwischen damals und heute ist viel passiert, aber dennoch stehe ich am Anfang. Ich habe keine Erinnerungen. Weiß nicht, wer ich bin. Da ist nur die Liebe zu dir und zu Junus in mir. Wie ein Anker hält sie mich fest, damit ich nicht vor Angst den Verstand verliere.
Ich weiß jetzt, dass ich keine Ador bin. Mein Name ist nicht Hope. Junus ist nicht mein leiblicher Bruder. Ich bin keine weiße Hexe.
Deine Tests waren erfolgreich. Mein Rücken schmerzt immer noch und den Geruch dieser ekelhaften Salbe bekomme ich nicht mehr aus der Nase. Die Angst vor den Schusswaffen und die daraus resultierende Abneigung gegen den Wein, den du mit deinem Blut versetzt hast, waren aber nicht gelogen.
Weißt du, ich habe absolut keine Ahnung, was es bedeutet, eine schwarze Hexe zu sein. Zu allererst hatte ich ein Bild von einer verrückten, buckligen Hexe mit Warze auf der Nase im Kopf, aber du weißt ja, wie krank meine Phantasie ist.
Ich will nicht zu dem Monster werden, das du in mir suchst. Um ehrlich zu sein, will ich auch gar nicht wissen, was eine schwarze Hexe ausmacht. Davor habe ich unsagbare Angst.
Ich spiele mit dem Gedanken, mir selbst meine Kräfte zu nehmen und sie irgendwo ganz tief im Ozean zu versenken, damit ich nicht besessen werde oder den Teufel anbete. Wobei wir wieder bei der kranken Phantasie wären.
Ich gehe fort, damit mich niemand für seine Zwecke missbrauchen kann. Weder diejenigen, die mich gegen Junus‘ Schwester getauscht haben – wer immer das auch war – noch du selbst. Ich will keine Marionette sein. Das wollte ich niemals.
Ich habe dir gesagt, ich will einfach ein normales Leben führen und daran halte ich fest. Nein, falsch – ich sagte, ich will ein normales Leben mit
dir
führen.
Auch wenn es mir schwerfällt, verstehe ich, warum das nicht möglich ist ... Nein, eigentlich verstehe ich gar nichts. Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, warum weiße und schwarze Hexen Feinde sind.
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