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Wer braucht schon Zauberfarben?

Wer braucht schon Zauberfarben?

Titel: Wer braucht schon Zauberfarben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu Pera
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Zusammen lehnen wir uns zurück, bewegen die Hüften rhythmisch und bauen Breakdance-Elemente ein. Das macht so viel Spaß, dass ich nur am Lächeln bin. Viel zu schnell ist es vorbei.
    Schnell hexe ich mir mein Abendkleid zurück. Kommt es mir nur so vor oder hat es jetzt einen weniger gewagten Ausschnitt? Das war sicher Junus, bei dem offensichtlich wieder mal der Bruder durchgebrochen ist. Ich fass es nicht, dass er mein Kleid verhext und dass mich das Amulett nicht davor geschützt hat. Wahrscheinlich, weil der Zauber nur meinem Kleid und nicht mir selbst galt.
    Nun blicken alle erwartungsvoll auf mich und wollen den Megazauber sehen. So fühlt sich das also an, wenn man der Menge zur kollektiven Belustigung vorgeworfen wird.
    Da kommt mir ein Gedanke. Schnell rufe ich in Gedanken nach meinem Raben, der sogleich herangeflogen kommt. Ich habe den Unsichtbarkeitszauber von ihm genommen, damit alle ihn sehen können.
    Im nächsten Moment hebe ich die linke Hand, an der ich mir einen Handschuh gehext habe, damit mich seine Krallen nicht verletzen. Brav setzt er sich hin und bietet mir seine Stirn an.
    Ich streichle über sein Gefieder, lehne mich an ihn und erhalte seine Bilder. Ein aufgebrachtes Murmeln geht durch die Reihen. Sie verstehen wohl nicht, was das soll.
    Nach ein paar Sekunden lächle ich dem Raben zu und entlasse ihn in die Freiheit. Zu „
I believe I can fly
“ von R. Kelly schicke ich allen im Saal die Bilder seiner Erinnerung direkt in ihre Köpfe. Zumindest versuche ich es.
    Lautes Lufteinziehen sagt mir, dass es geklappt hat. Sie fliegen nun alle durch die Lüfte, sind einfach frei. Mit inbrünstiger Stimme versuche ich, den Zauber so lange wie möglich wirken zu lassen. Viele haben die Augen geschlossen, breiten sogar die Hände aus, fühlen den Wind auf ihren Flügeln.
    Einen Wimpernschlag später muss ich den Zauber abbrechen. Ein paar Leute stöhnen sogar, sie hatten wohl gerade Gefallen an ihren ersten Flugversuchen gefunden. Das war so anstrengend, dass ich sogar zittere.
    Einige Sekunden hängen alle ihren Gedanken nach, dann bricht Jubel aus. Junus tritt an mich heran, küsst mir die Stirn und flüstert: „Das war unglaublich.“ Meine Beine geben etwas nach. Er drückt mich glücklicherweise sofort an sich, tut so, als würde er mich umarmen.
    „Alles okay?“, haucht er mir ins Ohr.
    „Ja, geht schon wieder“, antworte ich. Schnell lässt er mich los, denn ich darf keine Schwäche zeigen.
    Nun ist der offizielle Teil des Treffens vorbei. Junus reicht mir ein Glas Champagner, das ich mir in einem Zug runterkippe – Hope vor Augen, die sich gerade aufspielt, als wäre sie die Königin der Nacht. Im Vorbeigehen ziehe ich das nächste Glas vom Tablett des Kellners, was soeben in meinem Schlund landet. Zu meiner Verteidigung: Vielleicht hab ich ein kleines Eifersuchtsproblem, was ich nicht so ganz im Griff habe.
    Gespräche unter den Gästen haben soeben begonnen. Sie nutzen diese Zusammenkunft, um sich mit den anderen Zirkeln zu vernetzen, gegebenenfalls schließen sie auch Handelsabkommen oder Friedensverträge. Auch Krieg wird laut Junus hier angezettelt. Na hoffentlich nicht heute – das ist ein Ort des Friedens, sagt zumindest der Türsteher.
    „Ich bin sehr beeindruckt“, ertönt es hinter mir. Die Enttäuschung darüber, dass es Alexej und nicht Beliar ist, vermag ich nur mühevoll zu verbergen. Außerdem hat er sein Hemd wieder angezogen. Okay, jetzt gehen meine Hormone mit mir durch.
    Erneut küsst er mir die Hand. „Du kannst Massen in deinen Bann ziehen Raven. Ich bin deiner Anmut bereits vollständig erlegen“, haucht er mit rauer, männlicher Stimme. Ja, du bist leider der Falsche, den ich ‚erlegen‘ wollte.
    Galant zieht er mich an sich heran und flüstert mir: „Komm, lass uns irgendwo hingehen, wo wir ungestört sind“ ins Ohr. Alexejs Hand streicht dabei über meinen nackten Rücken.
    Automatisch sucht mein Blick, den ich über Alexejs Schulter schwenken lasse, nach Beliar. Er steht neben seiner Verlobten, die an seinem Arm hängt, als wären sie zusammengenäht und spricht mit einem der Oberhäupter. Dabei streichelt er ihr ständig über die Hand.
    Das macht mich so wütend, dass ich ein: „Wieso nicht“ ausstoße. Gemeinsam bahnen wir uns einen Weg durch die Menge. Alexej öffnet mir die Terrassentür, die auf einen großzügigen Balkon hinausführt.
    Wir sind noch keine zwei Sekunden in die kühle Nachtluft hinausgetreten, da zieht er mich grob an sich.

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