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Wer braucht schon Zauberfarben?

Wer braucht schon Zauberfarben?

Titel: Wer braucht schon Zauberfarben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu Pera
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nicht überrascht zu sein. Wieso verdammt nochmal ist er nicht überrascht?
    „
Du wusstest es
?“, mutmaße ich panisch.
    „Ja“, gibt er völlig emotionslos zu. Ich dreh gleich durch.
    „Wann wolltest du mir das sagen?“, frage ich, darauf bedacht, ihm meine Wut nicht allzu sehr zu zeigen.
    „Ich wollte dir dieses Wissen ersparen“, antwortet er. Das heißt also nie. Bleib ruhig Raven.
    Nach ein paar Sekunden fahre ich fort: „Du hast also die Tochter eines anderen als Marionette für deine Pläne benutzt. Beliar hätte das Recht gehabt, meinen Tod zu fordern für die Täuschung, die du inszeniert hast. Sicher wäre es ein geringer Verlust gewesen, keines deiner leiblichen Kinder für deine Machtspielchen zu opfern“, knalle ich ihm vor den Latz.
    „Du warst dafür prädestiniert. Das hat nichts damit zu tun, dass ich dich nicht wie mein eigen Fleisch und Blut aufgezogen habe“, erklärt er.
    Ich schnaube empört auf. „Wessen Fleisch und Blut bin ich denn?“
    „Das weiß ich nicht“, gesteht er.
    „Was bedeutet das?“, hake ich ärgerlich nach.
    „Willst du das wirklich wissen?“, fragt er nach. So schlimm also.
    „Ja“, versichere ich ihm.
    „Ich sah dich vor dem Waisenhaus tanzen. Da warst du etwa drei Jahre alt. Du hast mich verzaubert. Mit deinen schwarzen Locken und diesen strahlenden Augen. Ich konnte nicht vorbeireiten. War wie gebannt“, erklärt er. Erschöpft streiche ich mir über die Stirn.
    „Und jetzt sag mir, was du mir verschweigst“, fordere ich. Das ist ein Bluff, aber ich will wissen, ob er noch irgendetwas über meine Herkunft weiß.
    „Bist du sicher, dass du das hören willst?“, will er wissen. Bingo.
    „SAG SCHON“, brülle ich ihn an.
    Er bleibt ganz ruhig und ergänzt: „Man sagte mir, du wärst das Kind einer Vergewaltigung. Deine Mutter hat versucht, dich am Fluss zu ertränken. Man hat ihr das Kind aus den Händen gerissen und ins Waisenhaus gebracht. Die Hexe wurde daraufhin auf dem Scheiterhaufen verbrannt.“ Die Worte meines Vaters versetzen mich in Schockstarre. Ich vermag kaum zu atmen.
    „Raven“, setzt mein Vater an, aber ich halte die Hand hoch, um ihn zu stoppen.
    „Und die Frau, die ich bis jetzt für meine Mutter hielt?“, hauche ich.
    „Sie starb bei Artis‘ Geburt. Er weiß nichts davon, dass du nicht seine leibliche Schwester bist. Ich habe seine Erinnerungen dahingehend manipuliert“, gibt er zu.
    Um nicht durchzudrehen, balle ich die Fäuste. „Du wirst es Artis unverzüglich sagen und jetzt raus aus meinem Haus“, flüstere ich.
    „Raven, du bist meine Tochter. Auch wenn unterschiedliches Blut in uns fließt“, erklärt er. Nein, ich bin eine Monstrosität, wie er bereits festgestellt hat.
    „Raus hier“, verlange ich erneut. Mein Vater hat es nun verstanden und verlässt den Raum.
    Wie geht man mit so einer Scheiße um? Soll ich mich jetzt vor den nächsten Bus werfen? Was soll ich tun? Wie kommt man damit klar? Das frag ich mich die ganze Zeit über. Ich bin total fertig.
    „Also, dein Haupt ist noch dran. Ein gutes Zeichen, nehme ich mal an“, meint mein Bruder, der den Kopf zur Tür reinsteckt. Wortlos gehe ich an ihm vorbei.
    „Raven. Ist alles in Ordnung? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen“, stellt er fest.
    „Mir geht’s bestens“, erkläre ich, während ich in mein Zimmer laufe, mir die Kleider vom Leib reiße, in der Dusche das kalte Wasser auf Anschlag drehe und mich darunter stelle. Das ist so kalt, dass ich mich zusammenreißen muss, nicht loszuschreien.
    Nach dem ersten Schock, kauere ich mich auf den Boden und ziehe die Knie an meinen Körper, der nur noch am Zittern ist. Ob vor Kälte oder Panik, vermag ich nicht zu sagen.
    Die Wassertropfen beruhigen mich irgendwie. Sie lassen mich etwas fühlen, auch wenn es nur die Kälte ist, die meine Glieder hochkriecht.
    Die Tür wird aufgestoßen. Junus ruft meinen Namen, aber ich reagiere nicht. Die Erkenntnis, dass das Wasser eiskalt ist, ist seinem scharfen Lufteinziehen abzuleiten, als er unter den Wasserschwall der Regendusche tritt. Sofort versiegt es.
    Er geht vor mir in die Knie, packt mich an den Schultern, brüllt mich an, aber ich lächle nur. Der Gedanke, dass ich nie mit Beliar zusammen sein kann, erfährt er von meiner Abstammung, löst in mir innere Qualen aus, die kaum auszuhalten sind.
    Mein Körper wird hochgehoben. Junus‘ aufgebrachte Worte scheinen weit weg zu sein.
    „Nimm dieses verdammte Amulett ab“, raunt mein

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