Wer braucht schon Zauberfarben?
lebt im 21. Jahrhundert, führt dort seinen eigenen Zirkel an.“ Das ist nicht gelogen. Ich habe Junus die Führung meines Zirkels überlassen, nachdem ich zweimal die Kontrolle über mich verloren habe. Danach war mir klar, dass ich irgendwie nicht mehr zurechnungsfähig bin.
Junus‘ Vater trägt denselben stolzen Ausdruck im Gesicht, wie ihn Beliars Vater hatte.
„Wer bist du?“, hinterfragt Beliars Vater.
„Ich weiß es nicht“, gebe ich zu. Das ist mein voller Ernst. Zuerst sagte man mir, ich sei die Ador-Hexe, dann Lord Owens Tochter, gerade jetzt bin ich eine Waise – womöglich ist das auch eine Lüge. Mittlerweile habe ich den Überblick verloren. Ich ziehe es vor, zurzeit ohne Identität zu leben. Schlägt weniger aufs Gemüt.
Unabsichtlich hat es eine Träne aus meinem Augenwinkel geschafft. Eine Hand umschließt die meine. Sie gehört zu Beliars Vater.
„Ihr seid ihm unglaublich ähnlich“, stelle ich fest, während ich erneut die Züge von Beliars Dad mustere.
Laute ertönen im nächsten Moment. Schnell verkünde ich: „Ich weiß nicht, wozu sie mich zwingen werden, aber ich komme zurück, um euch zu befreien. Das verspreche ich.“
„Versprich nicht, was du nicht halten kannst Kind“, ermahnt mich Hopes Vater.
Ich lächle. „Vertraut mir einfach.“
Beliars Vater hält mich an der Hand zurück, als ich aufstehen will. Er mustert mich eindringlich, sagt aber nichts.
Als Tiberius und Nadar vor der Zelle auftauchen, lässt er abrupt von mir ab.
„Es ist soweit“, informiert mich Tiberius, öffnet die Zelle und tritt herein.
„Was verlangst du von mir?“, will ich wissen.
„Du wirst das tun, wozu du immer vorgesehen warst. Die Zirkel zu Fall bringen“, erklärt er. „Warum glaubst du, habe ich meinen Bruder, den großen Lord Owen, am Waisenhaus vorbeireiten lassen. Ich wusste, dass du ihm gefallen würdest. Er hatte eine Schwäche für kleine Mädchen, da eine Tochter sein sehnlichster Wunsch war. Es war ein Leichtes, ihn dazu zu bringen, dich bei uns aufzunehmen.“
Tiberius kommt näher und streicht mein Haar zurück. „Du bist eine Schönheit, der kaum ein Mann widerstehen kann. Tu das, was du am besten kannst. Öffne Beliar deine Schenkel. Man sagt, er sei deinen Reizen vollkommen erlegen, lechzt förmlich nach deinem Körper. Wie fühlt sich das an, nichts weiter als seine Hure zu sein?“
Darauf hatte er keine Antwort erwartet, denn er fährt sogleich fort: „Schütte ihm nach dem Akt dieses Gift in den Becher.“ Er hängt mir eine Phiole, die an einer Kette befestigt ist, um den Hals.
„Es wird ihn qualvoll zu Grunde richten“, erklärt er. „Mit Lord Owen machst du dasselbe. Ihre freigesetzten Zauberkräfte wirst du in diesem Gefäß bannen.“ Tiberius hält mir ein längliches Glasgefäß mit zwei ineinander verschlungenen Flaschenhälsen hin, das ich an mich nehme.
„Wenn du das erledigt hast, wirst du zurückkehren und mir die Kräfte aushändigen. Hast du mich verstanden?“, will er wissen.
Ich nicke und frage ihn: „Lässt du sie frei, wenn ich zurück bin?“
„Natürlich“, bestätigt er. Ja genau. Was für ein Vollidiot. Als ob ich ihm das abkaufen würde. „Und wenn ich dir deine Kräfte entzogen habe, wirst du die Hure meines Sohnes werden. Er hat ebenfalls eine Schwäche für junge Mädchen“, stößt Tiberius lachend aus, während er über meine Locken streicht.
Er tritt beiseite, um den Weg zur Zellentür freizugeben. „Raven“, hält er mich am Arm zurück, als ich an ihm vorbeigehen will. „Ich kenne dich, wenn du meine Pläne durchkreuzt, werden alle in diesen Zellen sterben, dich miteingenommen. Warte“, stellt er grinsend fest. „Es fehlt noch jemand.“
Keine zwei Sekunden später trägt Nadar den bewusstlosen Junus herein. Mein Herz krampft sich zusammen. Ich versuche, keine Emotionen zu zeigen.
„Junus“, haucht seine Mutter entsetzt.
„Damit du weniger stark in Versuchung gerätst, dich mir zu widersetzen, werde ich dich beobachten lassen“, erklärt Tiberius weiter.
Einen Wimpernschlag später verwandelt sich Nadar vor meinen Augen in einen Raben und setzt sich auf Tiberius‘ Arm. Es ist nicht irgendein Rabe – es ist
mein
Rabe. Sein Sohn hat mich die ganze Zeit über beobachtet. Ich bin so ein Idiot. Natürlich war er mir dadurch immer einen Schritt voraus.
„Durch die Kratzer an deinem Rücken kann Nadar dich überall wiederfinden. Du trägst nun seine Markierung“, erklärt Tiberius. „Also versuche
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