Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)

sein.“ Mann, was für eine Story. Als er mich um das Treffen gebeten hat, war das mit dem Angriff noch gar nicht passiert. Es ist also ein Vorwand.
    Ich schreibe:
Du bist ein schlechter Lügner
.
    Er reißt die Augen auf. Nach einer Schrecksekunde fährt er sich ungestüm durchs Haar. Dann sagt er: „Also gut. Die Wahrheit ist, ich bin in dich verliebt.“ Mann, das kam so emotionslos rüber, dass ich es ihm nicht mal abgekauft hätte, hätte ich ihr Gespräch vorhin nicht belauscht.
    Lucien runzelt die Stirn und stößt ein: „Du scheinst von meinem Geständnis nicht überrascht zu sein“ aus.
    Ich schreibe:
Das haben mir schon viele Jungs gesagt – keiner hat es jemals ernst gemeint
.
    Okay das ist gelogen – so etwas hat noch nie jemand zu mir gesagt.
    „Mir ist es ernst Hope.“ Ja genau. Und ich bin Mary Poppins. Das wird ein Spaß.
    Ich kritzle:
Dann beweise es und küss mich
.
    Er ist sichtlich vor den Kopf gestoßen. Vollkommen im Zwiespalt, ob er kneifen oder riskieren soll, sich den Teufel zu holen, rauft er sich die Haare. Ich könnte losbrüllen vor Lachen. Ihm bricht sogar der Schweiß aus.
    „Meine Erziehung erlaubt es nicht. Bevor ich das tun werde, muss ich dir den Hof machen“, ist sein lahmer Versuch, sich aus der Situation zu retten.
    Blödsinn
.
Du hast Schiss, sonst gar nichts.
    Er lächelt überlegen. „Ich habe vor gar nichts Angst“, stößt er mit stolz geschwellter Brust aus. Ja, da bricht wieder der Kelte durch.
    Ich lächle und kritzle:
Ich bin nicht interessiert
.
    Verblüfft liest er die Zeilen. „Was bedeutet das?“ Sieht so aus, als wäre ihm so etwas noch nie passiert, also kläre ich ihn auf:
    Es bedeutet genau das, was es bedeuten soll. Gute Nacht Lucien.
    Ohne mich noch einmal umzudrehen, trete ich grinsend aus dem Raum. Du willst Spielchen spielen, also spielen wir. Und ich bin am Zug.
     

     
     

Vier
     

    Beim Frühstück ignoriere ich Lucien vehement. Ich habe genau gesehen, dass er mir interessierte Blicke zugeworfen hat. Auch gestern hat er ständig versucht, mich anzugraben. Ich ließ ihn in jeder erdenklichen Art und Weise abschmettern. Sein Kampfgeist scheint geweckt zu sein oder – was viel wahrscheinlicher ist – sein Stolz ist angekratzt und er will doch noch ein Erfolgserlebnis haben.
    Gibs auf. Heute Nacht wird er sein blaues Wunder erleben. Dieses Katz- und Mausspiel hat bald ein Ende. Glücklicherweise, denn seine Komplimente nerven schon. Er ist ein miserabler Schauspieler.
    Claire ist noch nicht wieder aufgetaucht – sie hatte einen Nervenzusammenbruch. Meine Tante tut mir echt leid. Das ist ein schreckliches Weihnachten für sie.
    Meine Cousinen verlassen das Schlafzimmer ihrer Eltern nur, um auf die Toilette zu gehen und Onkel Tim installiert eine Alarmanlage, die er im Keller ausgegraben hat.
    „Tristan, was sagst du? Findest du nicht auch, dass Hope heute von innen heraus strahlt?“ Mann, jetzt fängt das schon wieder an. Lucien rammt Tristan sogar den Ellbogen in die Rippen, als er nicht gleich reagiert.
    „Ja, doch. Jetzt, wo du es sagst.“ Ich rolle mit den Augen, während ich den Tisch abräume.
    „Ich helfe dir“, bietet Lucien an.
    „Ganz zufällig“ streift er über meinen Arm. Mit warnendem Blick entreiße ich ihm die Butterdose, nach der ich gerade greifen wollte.
    Während ich das Geschirr abwasche, gehe ich gedanklich meine Checkliste durch: Der Fluchtplan steht. Den Flug habe ich per Anruf gebucht, als ich mich gestern aus dem Haus geschlichen und auf dem Hügel ein bisschen Satellitenempfang erhascht habe. Glücklicherweise war es möglich, das Ticket am Flughafen hinterlegen zu lassen. Ich kann es gegen Bargeld einlösen. Mein Preisgeld habe ich zusammen mit meiner Tasche im Dorf versteckt. Sicher ist sicher. Nicht, dass sie auf die glorreiche Idee kommen und mir mein Zeug klauen, damit sie meinen Pass verschwinden lassen können.
    „Hope, du hast deinen Tee noch nicht ausgetrunken – hier.“ Lucien hält mir meine Tasse entgegen. Wow, da ist sicher das Schlafpulver drin.
    Ich tue so, als hätte ich mich erschrocken und stoße „ganz zufällig“ die Tasse um. Die Flüssigkeit spritzt direkt in seinen Schritt. Gut, dass der Tee schon kalt war. Sichtlich damit kämpfend, sich im Zaum zu halten, tupft er die nasse Stelle mit einem Geschirrtuch ab.
    Ich schreibe:
Sorry
in den Schaum vor mir und lächle mit Unschuldsmiene. Ich bin dein schlimmster Alptraum, Kelte.
     

    Die Jungs räuchern wenig später die Bude mit