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Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)

Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)

Titel: Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu Pera
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einem Ritual aus. Was das bringen soll, weiß ich nicht, aber ihnen scheint das wichtig zu sein. Wohl wieder einer ihrer Keltischen Bräuche.
    Onkel Tim macht sich am Herd zu schaffen und flucht ständig. Er ist total überfordert. Claire ist außer Gefecht. Mein Onkel muss wohl das Abendessen ganz allein zubereiten. Dass er das noch nie gemacht hat, ist mehr als offensichtlich.
    Einige Minuten betrachte ich das Schauspiel mit hochgezogenen Augenbrauen. Als er sich die Finger am Tischherd verbrennt und die Streichhölzer quer durch den Raum schießt, trete ich an ihn heran. Meine Hand berührt ihn am Arm. Ich habe ihn noch nie so verzweifelt gesehen. Würde er mich nicht heute Nacht an einen Orden verscherbeln wollen, die mich zur Sklavin machen, hätte ich fast Mitleid mit ihm.
    Der Rauch reizt meine Lungen und ich huste stark. Kadien hat mir das Zeug direkt unter die Nase gehalten. Damit will er mir wohl den Teufel austreiben. Was für abergläubische Neandertaler.
    Genervt schreibe ich:
RAUS HIER
auf einen Zettel und halte die Nachricht gut sichtbar über meinen Kopf hoch. Onkel Tim scheint alles egal zu sein, denn er zieht sofort ab. Lucien bleibt im Raum zurück und mustert mich interessiert.
    „Gilt das für mich auch?“, will er doch tatsächlich wissen. Dabei zieht er mich förmlich mit seinen Blicken aus.
    Ich schreibe:
Vor allem für dich
.
    Sichtlich vor den Kopf gestoßen verlässt er den Raum. Ich sammle die Streichhölzer hinter dem Weihnachtsbaum auf und zünde den Herd an. Eigentlich hab ich keinen Plan, aber es wird schon irgendwie gehen.
    Im Keller krame ich nach den Zutaten, die Claire für das Weihnachtsfest eingekauft hat. Sie hat wohl einen Truthahn geplant. Das Ding ist riesig.
    Nach gefühlten hundert Kellermärschen habe ich alle Zutaten in die Küche gebracht und mache erst einmal Musik. Dazu schließe ich meinen mp3-Player an kleine Boxen an. Endlich ist es mit dieser kaum auszuhaltenden Stille vorbei.
    Sogleich mache ich mich daran, den Truthahn mit Gewürzen einzureiben. Dabei tanze ich zu „ Underneath the tree “ von Kelly Clarkson.
    Die blöde Katze glotzt mich vom Tresen aus an. Wahrscheinlich freut sie sich auch, dass hier endlich mal was los ist – oder sie ist einfach scharf auf den Truthahn. Weil sie brav sitzenbleibt und mich nicht anbettelt, schmeiße ich ihr ein Stück Fleisch hin, das sie hastig hinunterschlingt.
    Der Vogel ist schnell gefüllt und wandert in den Mittelalterherd. Keine Ahnung, wie heiß es da drin ist. Es gibt keine Anzeige.
    In einer Riesenpfanne brate ich Zwiebeln an. Mit reichlich Wein, den ich im Keller hinter einem Regal gefunden habe, lösche ich alles ab. Dann wandern Pilze mit Pfefferkörnern rein.
    Ich drehe mich beschwingt um, schäle Karotten und Kartoffeln. Meine Pirouetten bringen mich zurück zum Herd, auf dem die Sauce bereits brodelt. Warte mal. Woher kann ich eigentlich kochen? Ich war immer im Turntraining, während meine Mutter das Essen zubereitet hat. Keine Ahnung, irgendwie weiß ich instinktiv, was reingehört. Ach drauf geschissen.
    Die Katze sitzt immer noch da und glotzt mich an. Kopfschüttelnd tanze ich sie an und lache, weil sie so blöd kuckt. Ich jongliere sogar mit Zwiebeln, damit ich sie ärgern kann. Sie sieht unbeeindruckt aus.
    Die Gewürze lasse ich von Weitem in den Topf rieseln und rühre um. Da gerade nichts zu tun ist, wirble ich im gesamten Wohnbereich herum, um den Tisch zu decken. Dabei tanze ich im Takt der Musik.
    Ein Blick in den Ofen sagt mir, dass der Vogel fast fertig ist. So, jetzt heißt es, die Truppe zusammentrommeln. Ich schnappe mir einen Topf und schlage mit einem Kochlöffel Alarm. Die Jungs und Onkel Tim poltern aufgebracht herein.
    Ich halte ihnen die fertig vorbereitete Botschaft vor die Nase:
Essen ist fertig. Holt Claire und die Zwillinge
.
Und zwar dalli.
    Onkel Tim sieht sich im Raum um. Er zieht überrascht die Augenbrauen hoch. Ohne Kommentar tut er aber daraufhin, was ich verlange und holt die anderen Familienmitglieder.
    Ich schnappe Lucien am Kragen. „Was hast du mit mir vor?“, stößt er mit sexy Stimme aus. Als ich ihm die Topflappen an die Brust knalle, vergeht ihm die Lust am Flirten.
    Damit er weiß, was ich von ihm will, öffne ich die Ofentür und zeige rein.
    Brav holt den Vogel raus und stellt ihn auf den Ofen. Ich zupfe an seinem Ärmel, dann zeige ich auf den Tisch. Seinem Ausdruck zufolge, ist er wohl nicht so gerne der Küchenjunge, stellt den Truthahn aber ohne

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