Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)
Widerworte zum Esstisch. Hey, das Teil ist ganz schön schwer. Wenn ich schon gekocht habe, kann er zumindest den Vogel schleppen. Das nennt man Arbeitsteilung. Man kann nicht früh genug anfangen, den Herrn der Schöpfung die Grundsätze einer Gesellschaft, in der Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau herrscht, beizubringen.
Ich fülle die Saucieren mit meiner Pfeffersauce und platziere sie zusammen mit den Beilagen auf dem Tisch.
„Das sieht toll aus“, lobt mich Tristan, der sich sabbernd über den Bauch reibt. Ich lasse noch Petersilie dekorativ auf die Sauce fallen und hole die, in Speck eingewickelten, Bohnen aus der Pfanne.
Claire fällt fast vom Glauben ab, als sie zur Tür reinkommt. Fast schon schüchtern setzt sie sich zu Tisch.
Ich klopfe energisch auf die Tischplatte. Damit reiße ich alle aus ihrem Essen-Anschmachten.
Ungeduldig halte ich Onkel Tim das Messer hin. Kann er sich vielleicht mal beeilen und den Vogel anschneiden? Ich bin am Verhungern.
Mein Onkel räuspert sich, schneidet aber dann Stücke herunter. Jetzt greifen alle zu.
„Das ist ausgezeichnet Hope“, sagt Onkel Tim und nimmt sich gleich noch ein Stück.
Ich weiß nicht, wie viele „Hmmmm“‘s ich höre, aber alle sind so am Genießen, dass ich um gefühlte zehn Zentimeter wachse.
„Das ist der beste Truthahn, den ich jemals gegessen habe“, stößt Kadien aus und stopft sich die Kartoffeln rein. Ich winke beschwichtigend ab.
„Das ist echt gut. Ich glaube, dich nehme ich mit nach Hause“, meint Tristan mit vollem Mund. Die Jungs werfen ihm verärgerte Blicke zu. Wenn die wüssten, dass ich weiß, warum sie ihn gerade mit ihren Blicken rügen.
„Wieso seht ihr mich so an?“, verteidigt er sich. „Eine Frau, die so kocht, sollte man heiraten.“ Alle prusten gleichzeitig los und halten sich die Bäuche vor Lachen. Ich schüttle einfach nur den Kopf. Er hat echt Nerven.
„Du hast recht Tristan“, stimmt ihm Lucien zu. Dabei zwinkert er mir lässig zu. Guter Versuch Cowboy – leider erneut abgeschmettert.
„Seht nur, ein Schneehase.“ Alle drehen gleichzeitig die Köpfe zu dem Fenster, auf das Tristan gerade zeigt. Ich weiß natürlich genau, dass mir Kadien, der sich vorhin fast darum geprügelt hätte, neben mir sitzen zu dürfen, gerade das Pulver ins Glas füllt. Ich spiele aber mit und suche nach dem imaginären Schneehasen.
„Wo? Ich seh nichts“, stößt Emma aus.
„Er ist schon weg“, erklärt Tristan. Ach tatsächlich.
„Lasst uns auf dieses vorzügliche Essen und den schönen Abend anstoßen“, schlägt Lucien vor. Er hebt sein Glas und mustert mich intensiv. Ich lächle. Herausgefordert erhebe ich es ebenfalls.
Dann führt er es genüsslich an seine Lippen. Auffälliger geht’s eigentlich nicht mehr, denn Lucien lässt mich nicht aus den Augen, während ich trinke. Natürlich tue ich bloß so, lasse die Flüssigkeit nur meine Lippen benetzen und mache Schluckbewegungen.
Was er nicht weiß ist, dass ich ebenfalls ein Ablenkungsmanöver geplant habe. Meines ist aber nicht so leicht zu durchschauen.
Den Porzellanweihnachtsmann, der in der Nähe von Lucien am Tisch steht, habe ich auf eine Tasse geklebt, die auf dem Kopf steht. Was er nicht ahnen kann ist, dass sie randvoll mit Wasser ist. Ich habe die gefüllte Tasse mit einer dünnen Plastikkarte abgedichtet und sie dann auf dem Tisch umgestülpt. Dann habe ich die Karte rausgezogen. Natürlich rein zufällig werde ich ihn gleich bitten, mir das Salz zu reichen, das dahinter steht und etwas unklar auf den Weihnachtsmann zeigen.
Ich tue so, als würde ich auf dem Tisch nach etwas suchen und werde bei Lucien fündig. Mit dem Finger zeige ich auf die Figur. Onkel Tim war schneller und reicht mir das Salz. Verdammt.
Okay, zweiter Versuch. Ich salze mein Fleisch reichlich. Daraufhin will ich es wieder an seinen ursprünglichen Platz neben Lucien zurückstellen. Dafür muss ich mich ganz schön weit vorbeugen.
Ganz „unabsichtlich“ habe ich meinen Pullover zuvor weiter nach unten gezogen und enthülle so mein Dekolleté, auf das Lucien gerade glotzt.
Die kurze Ablenkung nutze ich, um den Weihnachtsmann auf der Tasse umzustoßen. Das Wasser schießt auf Luciens Hose zu. Abrupt schießt er hoch, um sich vor den Fluten in Sicherheit zu bringen. Vor Schreck hat Tante Claire ihr Glas ebenfalls umgeworfen.
Während alle damit beschäftigt sind, den Tisch trockenzulegen, tausche ich unbemerkt mein Glas gegen das von Lucien aus. Natürlich habe
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