Wer braucht schon Zauberworte? (German Edition)
Perfekt. Das wurde aber auch Zeit.
Grinsend löse ich mich von ihm. Du hast dich mit der Falschen angelegt. Schnell verriegle ich die Tür und beginne, ihm die Kleidung auszuziehen. Falls er doch aufwachen sollte, will ich zumindest einen kleinen Vorsprung haben.
Bei seiner Unterhose zögere ich, aber es muss sein. Ich presse die Augen zusammen und ziehe sie ihm runter. Natürlich decke ich ihn zu. So gemein bin ich auch wieder nicht. Hier oben ist es schweinekalt.
Seine Sachen werfe ich aus dem Dachfenster, aus dem ich soeben steige. Das wird ein Drahtseilakt, denn hier oben liegt extrem viel Schnee. Es muss aber sein. Sie lauern sicher bereits vor meiner Tür.
Ich rutsche den Sims entlang und lasse mich über die Ziegel gleiten. Glücklicherweise ist das Haus mit einer Garage verbunden, die ich als Abstiegshilfe benutze. Von der Dachrinne hängend, lasse ich mich in den Schnee fallen.
Vor Anstrengung keuchend presse ich mich an die Garagenwand und blicke rüber zum Haus. Die Jungs gehen im Wohnzimmer auf und ab. Sie scheinen auf Lucien zu warten.
Der kann gerade nicht. Schläft tief und fest in meinem Bett. Ihre Gesichter würde ich zu gerne sehen, wenn sie ihn finden.
Okay, ich hab Schiss. Im Wald ist es echt gruslig. Aus Angst entdeckt zu werden, traue ich mich nicht, eine Taschenlampe zu benutzen. Das Mondlicht muss reichen.
Ich will den Pfad zur Kirche entlanggehen. Daraufhin habe ich geplant, das Dorf zu passieren, von dem aus ich zur Hauptstraße gelange. Vielleicht hab ich ja Glück und jemand nimmt mich mit, dann muss ich nicht den ganzen Weg bis zum Flughafen laufen.
Die Geräusche hinter mir ignoriere ich mittlerweile. Es sind wahrscheinlich nur Tiere. Hoffentlich keiner vom Schwarzen Orden, das wär nicht so prickelnd.
Plötzlich beginnen die Bilder vor meinen Augen zu verschwimmen. Ich schüttle den Kopf und spüre eine bleierne Müdigkeit in meinen Knochen. Oh, oh. Sag nicht, die haben mir doch irgendwie das Schlafpulver untergejubelt.
Erneut erfasst mich ein Schwindel. Ich wanke bedrohlich. Nein, bitte nicht jetzt. Wenn ich hier draußen einschlafe, werde ich erfrieren. Die finden mich nie.
Mit zitternden Fingern greife ich nach dem Schnee, mit dem ich meinen Nacken kühle. Das brennt förmlich auf der Haut. Keuchend stapfe ich weiter.
Ich kann den Waldrand bereits sehen und falle über meine eigenen Füße. Alles dreht sich. Ich muss tief Luft holen, damit ich aufstehen kann. Wow, es fühlt sich so an, als wär ich betrunken. Wankend pralle ich an jeden Baum, der sich mir in den Weg stellt. Im nächsten Moment knicken meine Knie ein.
Eine innere Panik erfasst mich und blanke Wut steigt in mir auf. Ich kann mich kaum noch aufrechthalten. In einem letzten Gedanken rufe ich still um Hilfe.
Zu spät, das Pulver entfaltet bereits die volle Wirkung. Ich bin zwar nicht ganz eingeschlafen, aber ich fühle mich, als wäre ich auf Drogen. Die Geräusche des Waldes hallen unnatürlich Laut in meinen Ohren. Schatten formieren sich über mir.
Das ist kein Schatten, jemand hat sich gerade über mich gebeugt und lässt glitzernden Staub auf mich rieseln. Kann es sein, dass ich bereits halluziniere?
„Steh auf!“ Wie ein gewaltiger Tritt in die Realität erwache ich keuchend aus diesem Schlummer. Über mir erkenne ich den Jungen mit den Dreadlocks, der mich an beiden Schultern rüttelt. „Los, steh schon auf!“
Er packt mich am Kragen und zieht mich in eine aufrechte Position. Vor Kälte spüre ich meine Beine nicht mehr. Benommen pralle ich an seine Brust.
„Könntest du dich endlich zusammenreißen. Ich trag dich sicher nicht durch den Wald. Also entweder du kommst jetzt in die Gänge oder ich lasse dich hier liegen.“ Mann, wie nett ist das denn?
Grob drückt er mich von sich und lehnt mich gegen einen Baum. Als ich den Schwindel erfolgreich bekämpft habe, ist er schon weitergegangen.
Ich versuche ihm zu folgen, falle aber ständig in den Schnee. Was ist denn bloß los mit mir? Mein Körper fühlt sich seltsam an.
„Komm endlich“, ruft er genervt. Was für ein Idiot. Sieht er denn nicht, dass ich kaum einen Fuß vor den anderen setzen kann?
Ich stolpere erneut und balle wütend die Fäuste. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Die Erkenntnis treibt mir die Tränen in die Augen. Neben mir landet etwas. Ich schrecke zurück. Es ist ein Rabe. Nein, warte. Er legt den Kopf schief und betrachtet mich interessiert. Das ist dieser Touristenvogel, der zutraulich geworden ist.
„Was zum
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